Virtuos und voller Energie

Trier · Es hätte ein halb missglücktes Orgelkonzert werden können - ideenreich, aber schwankend in der Ausführung. Aber dann kam Franz Liszts Komposition über die Tonfolge B-A-C-H, und vor 150 Zuhörern im Trierer Dom schlug bei Daniel Beckmann technische Brillanz in emotionale Gewalt um.

Trier. Man fühlt sich hin- und her- gerissen. Da besticht ein junger Organist bei den internationalen Orgeltagen im Trierer Dom mit schlüssigen Konzepten und unkonventionellen Ideen - und verspielt dann immer wieder den künstlerischen Ertrag. Da kommt Bachs Vivaldi-Orgelbearbeitung in a-Moll einmal nicht steif und akademisch daher. Aber Beckmann steigt nervös ein, und das Resultat wirkt schwankend, vielleicht auch beeinträchtigt von mangelnder Vertrautheit mit der Domorgel.
Echter Kammerstil


Da entfaltet Beckmann in Bachs früher Choralpartita "O Gott, du frommer Gott" einen echten Kammerstil auf der Orgel, brillant und intim zugleich. Aber dann spielt er über die chromatische 7. Variation mit ihrer komplexen Harmonik unbekümmert weg und verschenkt den Reichtum dieser Musik. Bei aller technischen Sicherheit: In der ersten von Robert Schumanns BACH-Fugen verschwimmt die polyphone Stimmenvielfalt zu einem diffusen Einheitsklang. Und so originell das Glockenspiel in Bachs Choralbearbeitung "Nun danket alle Gott" klingt, so angestrengt wirkt die Virtuosität in der Sinfonia zur Bach-Kantate "Wir danken dir, Gott".
Ganz anders stand es bei Franz Liszts Präludium und Fuge über die Tonfolge B-A-C-H. Da brachte Daniel Beckmann nicht nur sein enormes technisches Können ein, sondern mehr: Brillanz schlug um in Überschwang und in erschreckende, aufwühlende Gewalt. Welch diabolische Wucht steckt in dem großangelegten Pedal-Triller gegen Ende des Werks! Bei Beckmann ist Liszts Komposition kein Probestück für Orgelvirtuosen, sondern Ausdruck einer emotionalen Ex-tremsituation - Musik, deren Energie alle Grenzen des traditionell Schönen überschreitet. Eindrucksvoll! mö

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