Kultur Virtuoser Zeichner und surrealer Weltschöpfer – Der Trierer Künstler Clas Steinmann
Trier · Clas Steinmann hat am Wochenende den Ramboux-Kunstpreis 2022 der Stadt Trier erhalten.
Wie oft schon hat man mit ihm irgendwo gesessen oder gestanden und über Kunst diskutiert. Schnell wurde dann aus dem Gespräch ein gemeinsames Ringen um den rechten Begriff oder die treffende Formulierung.
Denn Clas Steinmann ist ein Mann, dem es um Nachhaltigkeit geht. Und die setzt gleichermaßen tragfähige Ideen wie Genauigkeit im Detail und Schlüssigkeit der Ausdrucksmittel voraus. Doch davon später. Am Wochenende wurde der mehrfach ausgezeichnete Künstler und emeritierte Professor der Hochschule Trier im Stadtmuseum Simeonstift für sein Lebenswerk mit dem Ramboux-Kunstpreis 2022 der Stadt Trier durch Kulturdezernent Markus Nöhl ausgezeichnet (der TV berichtete vom Preisentscheid).
Zur Preisverleihung war auch Oberbürgermeister Wolfram Leibe gekommen. In seiner Laudatio schlug Nöhl die Brücke zum Namensgeber des Preises, Johann Anton Ramboux. Der Kulturpolitiker verglich Steinmanns eindrucksvolle Zeichenkunst mit der zeichnerischen Virtuosität des 1790 in Trier geborenen Malers und Grafikers. Nöhl würdigte das multimediale Schaffen des stets an neuen Techniken interessierten Preisträgers, dessen Werk neben Malerei und Grafik auch bildhauerische Arbeiten, Installationen, Kunst am Bau sowie Buchkunst versammelt.
Zudem habe sich Steinmann gleichermaßen in der städtischen Kunstszene engagiert wie in der Stadtgesellschaft. Der ist der Künstler weithin durch sein Mahnmal für die von den Nationalsozialisten deportierten und ermordeten Sinti und Roma bekannt. Mit dem Preis ist eine Werkschau im Stadtmuseum verbunden. Der 1941 als Klaus Steinmann in Gießen geborene Künstler studierte an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin beim deutschen Surrealisten Mac Zimmermann und Helmut Thoma.
Von 1972 bis 2006 lehrte er an der Hochschule Trier Zeichnen und Gestaltung. Gastprofessuren führten ihn mehrfach ins Ausland. Jetzt also wurde der weltläufige Wahltrierer, dessen Arbeit über die Region hinauswirkt, für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Wann ist ein Werk ein Lebenswerk? Die Frage wird regelmäßig diskutiert.
Clas Steinmann lässt die Antwort offen und hat seine Ausstellung klug „An diesem Punkt“ genannt. Statt klassischer Retrospektive präsentiert das Museum eine Standortbestimmung, in deren Zeichnungen, Objekten und Mischtechniken sich das gegenwärtige Schaffen darstellt und die exemplarisch verdichtet, was Steinmanns Werk und seine Künstlerpersönlichkeit ausmacht.
Am Anfang war die Linie. „Zeichnen ist das, was ich schon immer gemacht habe“, hat der Künstler einmal im Gespräch erklärt. Sie zieht sich –wie auch in Trier zu sehen- durch das gesamte Werk. Als gradliniges Raster schafft sie Strukturen, definiert wendig Umrisse, variiert sich als Schraffur malerisch in feinsinnigen schwarz-weiß Nuancen. In der Linie klärt sich Steinmanns Welt. Deren Erscheinung ist für den Künstler ein unerschöpflicher Fundort und Impulsgeber.
Ob es (wie in der Ausstellung zu sehen) die scheinbar unscheinbare Wilde Karde, der Spitzwegerich, Flugzeugteile oder die zu einer Installation arrangierten Benzinkanister sind: Steinmanns Bildwelten entstehen aus der zufälligen Entdeckung, die im Alltäglichen das Ereignis ausmacht. Im Spiel entsteht die Welt, wissen wir vom Philosophen Johan Huizinga. Auch Steinmanns derart spielerische Lust ist unverkennbar. Der Trierer Künstler ist ein Homo ludens ( spielender Mensch) in dessen Weltschöpfungen sich Fantasie mit einem strengen Geist und einem wachen Sinn fürs Absurde verbinden.
In seinen Arbeiten halten Raster, Koordinaten oder Rhythmen die auf freien Flügeln schwebende Fantasie im Zaum. Steinmann arbeitet, wie einmal mehr im Simeonstift zu sehen, häufig mit Serien. Eine der neuen ist seine Pflanzen-Serie „Hommage à Karl Blossfeldt, die dem Fotografen der neuen Sachlichkeit gewidmet ist. Steinmanns Lust am Seriellen verdankt sich seinem Drang nach Entwicklung. Genauso wie seine Faszination für neue Techniken.
Ein Großteil der gezeigten Arbeiten sind Mischtechniken aus analoger Zeichnung und digitaler Technik In den letzten Jahren hat sich der Künstler intensiv mit digitalen Verfahren beschäftigt, deren scheinbar unbegrenzte Möglichkeiten ihn faszinieren. Wie jede andere Technik bleibt allerdings auch die digitale lediglich Erfüllungsgehilfin gestalterischer Ideen.
Was Steinmanns Werk zur unverwechselbaren Position macht, ist jene neue Dimension, die über das als Realität Wahrgenommene hinausgeht und Erwartungshaltungen verstört. So wie das Flugzeug im Hochgebirge oder der Zahlenkranz um eine Pflanze.
Steinmanns neue Welt ist eine surreale Welt, in der sich die Versatzstücke der Realität zu neuen irritierenden Zusammenhängen meist augenzwinkernd formieren. Es ist die Welt eines humorvollen Skeptikers, der ebenso um ihre Brüchigkeit weiß wie um die Fähigkeit von Kunst und Spiel, weit über alltägliche Weltverhältnisse hinauszudenken und zu träumen.
Ausstellung im Trierer Stadtmuseum Simeonstift bis 24. April, Dienstag bis Samstag, 10 bis 17 Uhr,
Info: www.museum-trier.de