Vitaler denn je

Weltstars finden nur selten den Weg nach Trier. Doch Woodstock-Legende Joe Cocker gibt sich bereits zum dritten Mal die Ehre. Rund 6000 Fans erleben den eindrucksvollen Auftritt des 63-jährigen Sängers, der in der Arena mit Rock-, Blues- und Soul-Nummern begeistert. Sein Konzert wird vom Trierischen Volksfreund präsentiert.

Trier. Der Mann hat Stil. Und Manieren. "Guten Abend, Trier!", grüßt der Rock-Veteran sein Publikum in der voll besetzten Arena. Gekleidet mit schwarzem Sakko, schwarzer Hose und ebenfalls dunklem Hemd. Ein Mann von Welt - wie schon bei seinen letzten Auftritten in der Region. Geändert aber hat sich vor allem eines: Cocker wirkt wesentlich fitter und agiler als noch vor wenigen Jahren. Nach schnellen Songs springt der ehemalige Gas-Installateur aus der englischen Arbeiterstadt Sheffield in die Luft, landet punktgenau mit dem letzten Akkord auf dem Boden. Zwar rudert er weiterhin fahrig mit den Armen, doch die Gebärden sind seltener geworden, scheinen wie auch seine Drogen-Exzesse der Vergangenheit anzugehören. Cocker hat wohl in der ländlichen Abgeschiedenheit Colorados ausreichend Zeit, Energie für den anstrengenden Tournee-Alltag auftanken zu können.Der Sänger mit der Reibeisen-Stimme

Schon der zweite Titel ist der richtige Einheizer für das Publikum und Joe selbst. Sakko aus, Ärmel beim Hemd hochgekrempelt, und ab geht die Post. Das ist genau der Cocker, den die Fans weltweit seit seinem Auftritt 1969 beim Woodstock-Festival kennen und lieben. Das Publikum möchte sehen und hören, wie er sich verausgabt, seine Songs erarbeitet und mit seiner Reibeisen-Stimme wimmert, schreit und grunzt. Und Cocker gibt seinen Anhängern auch musikalisch, was sie von ihm erwarten: Hit reiht sich an Hit, von den 60ern bis zum neuen Album "Hymn For My Soul". Kein anderer Sänger kann fremden Songs so seinen eigenen Stempel aufdrücken wie er, der sie mit seiner ausdrucksfähigen rauen Stimme zu seinen eigenen macht. Cocker bietet die Ohrwürmer "You Are So Beautiful", "Up Where We Belong", den "Lovin Spoonful"-Klassiker "Summer In The City", eine fantastische Version von "Come Together" der Beatles sowie einen Block aus dem aktuellen Album "Hymn For My Soul" mit dem Titelsong von Andy Fairweather-Low sowie der Gospel-Ballade "Don't Give Up On Me". Fehlen dürfen auch nicht "Unchain My Heart" mit starkem Saxofon-Part oder Randy Newmans "You Can Leave Your Hat On". Unbestreitbarer Höhepunkt des grandiosen Konzerts ist aber Joes immer noch frisch klingender Woodstock-Beitrag "With A Little Help From My Friends" von Lennon/McCartney. Cockers weltbekannter markerschütternder Schrei, auf den das Publikum stets wartet, kommt an diesem Abend gleich drei Mal: So gut ist Joe an diesem Abend drauf. Das - zuvor teilweise sitzende - Publikum in der Arena hat sich längst erhoben, feiert den britischen Weltstar mit Wunderkerzen, angezündeten Feuerzeugen und Lichterketten. Mit "Long As I Can See The Light" verabschiedet sich Joe nach über eineinhalb Stunden von seinem begeisterten Publikum und verspricht wiederzukommen. Gerne, Joe!Zum Erfolg des rundum gelungenen Konzerts trägt wesentlich die Begleit-Combo bei. Neben Cocker stehen acht weitere Musiker auf der Bühne. Zwei tolle Background-Sängerinnen, dann eine Bassistin, ein Gitarrist, ein Pianist, ein Musiker an der Hammondorgel, ein Saxofonist, der bei "N'oubliez jamais" zudem das Akkordeon spielt, sowie der bewährte Schlagzeuger Jack Bruno. Das Bühnenbild wird von drei hohen stilisierten gotischen Fensterbögen gebildet, in die als Filmbeiträge oder Dias unterschiedliche Aufnahmen eingeblendet werden. Die Bühne wirkt farblich wie durch das Glas von Kirchenfenstern gefiltert. Oft sind Szenen aus Cockers Vita zu sehen. Dass "With A Little Help From My Friends" ab dem Woodstock-Festival Cockers ganzes Leben begleitet hat, wird mit entsprechenden Bildern belegt. Bei den Zuhörern sind die 40- bis 50-Jährigen bei weitem in der Überzahl. Der Altrocker mit grauem langen Haar steht neben dem Herrn im feinen Zwirn mit seiner Gattin im eleganten Kostüm, die sich verträumt an die Zeiten erinnert, als sie selbst noch wild war. Aber auch Alt-68er sind da, die ihren Kindern zeigen, was die Eltern damals so gehört haben. Weitere Fotos finden Sie auf der Click Me Seite 28

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Vom erwischt werden
Vinyl der Woche: Love Is A Wonderful Thing – Michael Bolton Vom erwischt werden
Aus dem Ressort