Theater Blut, Schweiß und Tränen

Puccinis „La Bohème“  ist eine der meistgespielten Opern des Musiktheaters und steht in dieser Spielzeit wieder einmal im Trierer Theater auf dem Plan. TV-Mitarbeiter Dirk Tenbrock wechselte die Seiten, um als Statist eine Produktion von innen zu erleben. Hier schreibt er über seine Erfahrungen.

 Bestens bedient: TV-Mitarbeiter Dirk Tenbrock (rechts) in ungewohnter Rolle – als Statist im zweiten Akt der Oper „La Bohème“, die am 8. Februar zum letzten Mal am Theater Trier aufgeführt wird.

Bestens bedient: TV-Mitarbeiter Dirk Tenbrock (rechts) in ungewohnter Rolle – als Statist im zweiten Akt der Oper „La Bohème“, die am 8. Februar zum letzten Mal am Theater Trier aufgeführt wird.

Foto: Dirk Tenbrock

Schon immer ist die „Bohème“ etwas Besonderes für mich gewesen, Lieblingsoper, viele Male gesehen und gehört, die kenne ich wirklich gut. Jedoch: weit gefehlt! Schon bei den ersten Proben werde ich eines Besseren belehrt, stolpere über die Probebühne, weiß nicht, an welcher Stelle wir gerade sind, verpasse meine Einsätze. Ich bin verloren in der Musik, die ich so bewundere, bin überwältigt davon, neben all den ausgezeichneten Sängern zu stehen und zu agieren. Und das ist fatal. Schnell muss ich von den Profis und durch klare Ansagen des Regieteams lernen, mich einzig und allein auf meinen kleinen Part zu konzentrieren.

Das Konzept dieser Inszenierung des Franzosen Mikael Serre ist politisch, modern, mit Videoeinspielungen und opulentem Bühnenbild sehr visuell ausgerichtet, so urteilte der TV nach der Premiere im Herbst.

Davon bekomme ich aber nicht viel mit. Auf der Bühne ist es quasi unmöglich, sich ein Bild der gesamten Inszenierung zu machen, eigentlich schade. Dass auch meine sieben Statisten-Kollegen – allesamt Theater-Enthusiasten jedweder Couleur – und ich aber genau wissen, worum es geht, welche Intentionen dahinterstecken, warum und wann wir wo sein müssen, dafür sorgt das Regieteam mit seinen detailreichen Erklärungen. Wir werden professionell eingebunden, es kann eben nur funktionieren, wenn auch das kleinste Rädchen im Getriebe perfekt läuft. Die gesamte Maschinerie um das Getriebe herum ist beeindruckend, so etwas kann wohl nur ein Drei-Sparten-Haus problemlos stemmen. Alle Abteilungen greifen ineinander, selbst als häufiger Gast vor und hinter den Kulissen – meine Frau, Barbara Ullmann, arbeitet seit vielen Jahren als Schauspielerin am Theater – hatte ich nur eine offenbar eingeschränkte und unzureichende Idee davon, was es wirklich bedeutet, so eine Produktion zu stemmen. Das nötigt allergrößten Respekt ab.

Im zweiten Akt, wenn die Bohemiens am Weihnachtsabend im Pariser Café Momus das Leben und die Liebe feiern, sind rund 60 Darsteller auf der Bühne im vollen Einsatz; was auf den ersten Blick wie ein chaotisches Gewusel daherkommt, ist in Wirklichkeit ein auf die Sekunde getaktetes, durchchoreographiertes Spektakel, bei dem jeder Ton und jeder Schritt sitzen muss. Ich spiele den Maître d’Hôtel des Momus, dazu gehört dann auch, dass mir von der kapriziösen Musetta ein Glas Champagner mitten ins Gesicht geschüttet wird. Auch hier zählt das Timing, das heißt üben, üben, üben und kostet viele Handtücher und brennende Augen. Die Schritte und Aktionen gelingen uns bis zur Premiere am 14. September schon ganz passabel, Töne haben wir ja nicht, die Gesangs- und Sprechparts bleiben – Gott sei Dank – den Profis vorbehalten.

Die Sänger haben da schon acht Wochen Probezeit hinter sich, sie kommen schon mit einstudierten Rollen zu den Regieproben auf die Bühne. Rund 15 Probetermine werden jedoch auch den Statisten abverlangt. Dazu kommen noch Dutzende begabte Menschen, Chöre, Technik, Handwerker und so weiter. Pannen gibt es natürlich auch bei den Proben (und – meistens vom Publikum unbemerkt – auch bei den Vorstellungen), trotz umfangreicher Sicherheitsvorkehrungen fliegt mir ein Requisit an die Wange und hinterlässt einen blutigen Schmiss, ein Kollege fällt in den Orchestergraben, mancher muss sich vor der herunterfahrenden Hinterbühne retten, am Ende passt aber alles. Das gemeinsame Bangen, Schwitzen und – wenn etwas wirklich schiefgeht – Weinen schweißt zusammen, „Blut, Schweiß und Tränen“, frei nach Churchill.

Wenn man hochkonzentriert im Zwielicht der Hinterbühne auf seinen Auftritt wartet, wird so mancher Finger gekreuzt, mancher Daumen für die Sänger gedrückt.

Dirk Tenbrock

Am 8. Februar gibt es die letzte Vorstellung von „La Bohème“ im Theater, Karten sind noch verfügbar.

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