Voll neben dem Gleis

Gerolstein · Im ausverkauften Lokschuppen gewährt Johann König tiefe Einblicke in das verkorkste Seelenleben seiner Bühnenfigur. Etwaige Erwartungen lässt der Kölner Komiker grandios ins Leere laufen: "Total Bock auf Remmi Demmi" hat er nicht. Aber das wussten seine Fans schon vorher.

Rund 500 Zuschauer tauchen am Sonntagabend für zwei Stunden in das skurrile Universum Königs ein - dankbar für zwei Stunden Ablenkung vom aktuellen Tagesgeschehen. Und Ablenkung bekommen sie, denn die Gedankenwelt des angespannt wirkenden Mannes auf der Bühne kreist unaufhörlich um ihn selbst, höchstens einmal unterbrochen von der bangen Frage, ob das "Material" ausreicht, um den Abend zu füllen, oder ob Johann König jemals wieder aus Gerolstein herausfindet.

"Das sind Sie schuld", erklärt der Star-Comedian dem lachenden Publikum. "Wären sie nicht gekommen, wäre ich auch nicht hier und würde das alles gar nicht machen - hoffe ich jedenfalls."

Johann König, mit richtigem Namen Rene Otzenköttel, ist vor rund zehn Jahren im Olymp der deutschen Comedy angekommen und das zurecht: Die Rolle des nervösen Depressiven, der sich auf der Bühne nicht wohlfühlt, der aber versucht, das Beste aus der nun mal eingetretenen Situation zu machen, war hierzulande noch unbesetzt.

Publikum rast



König beherrscht die leisen Töne, sofern man das bei seiner quietschenden und nöligen Stimme so sagen kann, und windet sich in Zeitlupe in seine Gags hinein. Das Unausgesprochene an seinen Geschichten bringt das Publikum zur Raserei: "Ich eilte mit einem Mädchen zur Laube", hebt er an: "Sie war das Gewinde und ich..." Die Zuschauer bringen den Satz zu Ende und lachen über sich selbst. König kann auch anders: Dann explodiert der gerade noch stille und nervöse kleine Mann und faucht sein Publikum an. Wobei er mächtig spuckt - wahre Fontänen spritzen aus dem wutverzerrten Gesicht, wenn er sich über Politessen, seine Freundin, oder einen Handyverkäufer aufregt. Die Zuschauer lachen Tränen, wenn König seine jähen Stimmungswechsel mit dem Wort "Spacko" beschließt.

Ein Sessel und ein Sofa, die offensichtlich aus fünfter Hand stammen, sind die wichtigsten Requisiten des Komikers. Auf ihnen, man kann es nicht anders sagen, lümmelt sich Johann König in seinen ruhigen Minuten herum. Das sieht manchmal nach einem Migräne-Anfall aus: "Sekundenschlaf, den habe ich oft stundenlang", sinniert der Comedian, um im nächsten Augenblick aufzuspringen und ein Gedicht über "Eheprobleme in der Arktis" vorzutragen.

"Wie man so wird, wie ich?", fragt König sich selbst. "Jeden Tag, seit Kindheit an, einen ordentlichen Schuss Obstler ins Müsli", lautet die Antwort. "Haben Sie bis hierhin noch irgendwelche Fragen?", will Johann König unvermittelt wissen. Nein - niemand will ihn bei der irrwitzigen Achterbahnfahrt durch seine Hirnrinde unterbrechen. Ein großartiger Abend neben dem Gleis.

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