Vom Junkie zur gereiften Lady: Marianne Faithfull in Luxemburg

Esch/Luxemburg · Ein intimes Konzert hat die 67-jährige Marianne Faithfull mit ihrer großartigen Band in Luxemburg abgeliefert. Der psychedelische Querschnitt durch 50 Jahre Rockgeschichte reißt am Ende die 450 Zuschauer im Club der Escher Rockhal von den Sitzen.

 Marianne Faithfull in der Rockhal: Charisma und ungebrochene Kraft. TV-Foto: Dirk Tenbrock

Marianne Faithfull in der Rockhal: Charisma und ungebrochene Kraft. TV-Foto: Dirk Tenbrock

Esch/Luxemburg. Ihre größte Leistung beschreibt Marianne Faithfull in einer ihrer sehr persönlichen Moderationen zwischen den Songs selbst: überlebt zu haben! Nach wilden Zeiten in den "Swingin\' Sixties" mit den Rolling Stones folgte der Absturz in den Drogensumpf, mehrmals konnte sie dem Tod nur knapp von der Schippe springen.
Jetzt, 50 Jahre nach ihrem ersten Hit mit Keith Richards und Mick Jagger "As Tears go by", präsentiert sich die Sängerin den 450 Zuschauern im Club der Rockhal (Esch/Luxemburg) als Grande Dame des exzessiven Lebens. Ihr neues Album heißt "Give my Love to London", eine bittersüße Hommage an ihre Heimat, der sie längst den Rücken gekehrt hat. Die stärkste und intensivste Nummer, "Late Victorian Holocaust", hat der große Nick Cave ihr auf den Leib geschrieben. Es geht um das Junkieleben im Notting Hill der 1970er.
Neben Balladen und straffen Rocksongs sind es vor allem die psychedelischen Nummern, die unter die Haut gehen. "Sister Morphine" von 1990 reißt das gebannte Publikum in einen Strudel, aus dem es kein Entrinnen gibt. "Es war nicht alles schlecht an den Drogen, aber sie führen zum Tod", sagt Faithfull.
Aber auch "The Ballad of Lucy Jordan", "Working Class Hero" und "Broken English" aus dem gleichnamigen ersten Comeback-Album von 1979 zeugen von ihrem lebenslangen Kampf mit sich selbst und den widrigen Umständen der Gesellschaft.Frisch und aggressiv


Gerade erholt sich Faithfull von einer Hüftfraktur, sie schleppt sich mittels eines Gehstocks und einiger Helfer auf die Bühne. Die Stimme ist - "vom vielen Reden, ich kann meinen Mund nicht halten" - etwas angeschlagen, aber dennoch spürt man ihre ungebrochene Kraft und ihr Charisma. Als sie in "Mother Wolf" die Zerstörungswut der Menschen anklagt, wirkt sie frisch und aggressiv. Ansonsten nimmt man ihr die gereifte Lady ab, der man auch seine Kinder anvertrauen würde. Denen hätte sie sicher viel zu erzählen. DT

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