Vom weiten Raum der Fantasie und der Enge eines Lehrbuchs

Echternach · Variation und Fantasie haben im Mittelpunkt eines Konzerts der Pianistin Ragna Schirmer im Echternacher Trifolion gestanden. Vor allem Bach überzeugte. Die etwa 300 Zuhörer bedankten sich mit freundlichem Applaus.

 Ragna Schirmer. Foto: Veranstalter

Ragna Schirmer. Foto: Veranstalter

Echternach. Keine Frage: Ragna Schirmer verfügt über eine brillante Technik. Zudem ist die 1972 geborene Pianistin eine wunderbare Bach-Interpretin. Das wurde einmal mehr in Echternach deutlich.
Dort begann die Künstlerin, die an historischer Musiktechnik und Klangvorstellung interessiert ist, ihren Konzertabend mit Johann Sebastian Bachs einzigartiger Chromatischer Fantasie und Fuge d-Moll, BWV 903. Nachdenklich und fein strukturiert machte Schirmer nicht nur die ungeheure geistige Leistung der Komposition hörbar, sondern auch das Prozesshafte der Fantasie, ihre Kühnheit und Dynamik, ihr Spannungsfeld aus dem festen Gefüge eines Themas und dem grenzenlosen Raum der Vorstellungskraft. Ungeheuer modern, weit hinausweisend in die Romantik und bis in die Moderne, klang dieser Bach mit seiner vielfältigen Gedankenwelt.
Überhaupt stand der ganze Abend unter dem Thema "Fantasie, Improvisation, Variation". Bach folgte Georg Friedrich Händels Suite in d-Moll, HWV 437, und seiner Chaconne in G-Dur, sowie Joseph Haydns Variationen in f-Moll, dann noch einmal Händel und schließlich Ludwig van Beethovens letzte Klaviersonate, op. 111.
Ein durch und durch schlüssiges Programm, das allerdings auch etwas von der gewissenhaften Kleinschrittigkeit eines Lehrbuchs hatte. Ein Eindruck, den Schirmers Zwischenkommentare verstärkten. Händel und Haydn blieben blass. Händels Orgelkonzert in F-Dur, in Schirmers Klavierfassung ein schlankes melodisches Stück, ließ die Pianistin gleichsam nahtlos in Beethovens späte Sonate in c-Moll übergehen.
Das tat der großartigen Sonate, die Luft braucht, nicht gut. Lebt sie doch nicht zuletzt von der Gegenüberstellung der beiden im Charakter so konträren Sonatensätze. Auf die "heiligen Momente" der Sonate, die der große Pianist Alfred Brendel einmal als "Präludium zu Beethovens Verstummen" bezeichnete, hatte Schirmer zurecht vorab verwiesen. Leider machte die Pianistin solche Erhabenheit in ihrem Spiel nicht erlebbar. Allzu sehr setzte sie auf Tempo und Rhythmus und zuweilen wummernde Bässe. Da war nichts von jenem wunderbaren, fast jenseitigen Leuchten dieser Musik zu hören, auch nichts vom tragischen inneren Kampf zwischen Auflehnung und Abgeklärtheit. Als letzte Zugabe: noch einmal Bach vom Feinsten. er

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