Von Berlin nach Moskau: „Die Vierte Macht“

Der coole Jungjournalist Paul Jensen (Moritz Bleibtreu) wird in die russische Hauptstadt geholt, um das Boulevardmagazin Moskau Match auf Vordermann zu bringen. Er soll eine Partykolumne liefern und dem Blatt eine neue Optik verpassen. Jensen stürzt sich ins Nachtleben, rockt die Diskotempel und steigt mit rassigen Blondinen in die Kiste. Nebenbei wirft er ein Auge auf die geheimnisvolle Politaktivistin Katja (Kasia Smutniak).

Eines Morgens wird auf dem Weg zur Arbeit vor seinen Augen ein bekannter Publizist erschossen. Um Katja zu imponieren, veröffentlicht Jensen einen Nachruf auf den Systemkritiker und legt sich so mit dem Geheimdienst an. Er versinkt in einem Sumpf aus Politik, Korruption, Gewalt und landet in einem Gefängnis für tschetschenische Terroristen. Stoff für einen großen Politthriller. Leider wird die Geschichte im Film "Die vierte Macht" grandios verschenkt. Der Streifen kommt kaum über das Niveau einer Fernsehproduktion hinaus. Von Regisseur Dennis Gansel ("Die Welle") war mehr zu erwarten. Beeindruckender Schnitt? Null. Krasse Einstellungen? Keine. Spezialeffekte? Geht so. Viele Szenen wirken gestellt. Sie sind aufgeblasen mit Klischees und leicht zu verdauenden Erklärungen. Die Macher aus dem Hause Ufa Cinema wissen leider viel zu gut, wie man das Gute vom Bösen zu scheiden hat: auf der einen Seite die skrupellosen Machthaber im Staat, die nicht davor zurückschrecken, Anschläge zu inszenieren und Unschuldige zu massakrieren. Auf der anderen Seite die Tschetschenen, vom System gezwungen, mit Gewalt für ihre Freiheit zu kämpfen. Dem Zuschauer schwant früh, dass die Dinge in Wirklichkeit vertrackter sind. Die transportierte Medienkritik ist seicht. Der Protagonist hinterfragt seine Rolle im postsowjetischen System nicht aus eigenem Antrieb. Stattdessen lässt er sich von selbst ernannten Freiheitskämpfern (charismatisch: Mark Ivanir) vereinnahmen. Moritz Bleibtreu spielt gut und stemmt sich doch vergeblich gegen diesen faden Plot.

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