Von Buxtehude bis Nirvana

Trier · Ein in jeder Hinsicht außergewöhnliches Konzert erwartet das Publikum am Freitag, 20 Uhr, in der Trierer Tufa. Zu bewundern ist die Rückkehr von Francesco Tristano, der einst als Klavier-Wunderkind in der Region auftrat und nun auf dem Sprung zum Weltstar ist. Beim "Classic Clash" geht das Programm von Bach bis Metal.

 Pianist Francesco Tristano hat nichts gegen den Blick über den Tellerrand der Klassik. TV-Foto: Archiv

Pianist Francesco Tristano hat nichts gegen den Blick über den Tellerrand der Klassik. TV-Foto: Archiv

Trier. Der schmächtige Junge mit dem Lockenkopf ist 13, als er beim "Podium junger Künstler" in Trier erstmals auf sich aufmerksam macht. Im September 1996, kurz vor seinem 15. Geburtstag, reißt er dann das Publikum im Trierer Theater von den Sitzen. Selbst Dirigent István Dénes schüttelt verblüfft den Kopf angesichts der überragenden Fähigkeiten des Nachwuchstalentes aus Luxemburg, das beim Konzert der "Virtuosen von morgen" sein städtisches Orchester mit höchster Finesse durch Bachs f-Moll-Konzert treibt. Da heißt der junge Schlaks, der wenige Jahre später die Juilliard School in New York absolvieren wird, noch Francesco Schlimé.
Knapp ein Jahrzehnt und etliche Schlimé-Konzerte in der Region weiter. Im Innenhof der Telekom am Kornmarkt spielt ein Electro-Jazz-Project namens "Aufgang" bei strömendem Regen. Die Musiker laden das Publikum auf die halbwegs überdachte Bühne ein, Künstler und Zuhörer sitzen bunt durcheinander, es wird lustvoll experimentiert und improvisiert, bis alles in der Musik versinkt. Am Keyboard brilliert ein inzwischen 23-jähriger, immer noch gelockter Jüngling, der unterdessen Francesco Tristano Schlimé heißt.
Das war 2005. Inzwischen steht das "Schlimé" allenfalls noch im Pass - das malerische "Tristano" ist der geeignetere Nachname für eine atemberaubende internationale Karriere. Luxemburg ist nur noch eine Zwischenstation zwischen dem Hauptwohnort Barcelona und großen Konzertsälen wie der Berliner Philharmonie. Im Februar war der 31-Jährige auf Japan-Tour, im März standen unter anderem London und Amsterdam auf der Agenda. Alle paar Monate erscheinen neue Aufnahmen seiner diversen Projekte, zuletzt "Ground Bass" bei der großen Deutschen Grammophon.
Ein Musiker, zwei Gesichter


Aber die zwei Gesichter des Francesco Tristano sind geblieben. Der klassische Pianist, der sich Hausgöttern wie Bach und Buxtehude mit seinem ganz individuellen Zugriff widmet. Und der Grenzgänger zu Jazz und vor allem Techno, der in den Tempeln der klassischen Musik den Synthesizer neben den Flügel stellt und scheinbar Unvereinbares spielerisch unter einen Hut bringt. Oder der in der drangvollen Enge eines überfüllten Clubs in Kreuzberg Barockklänge über den Dancefloor fluten lässt.
Praktizierende Crossover-Köpfe dieser Art sind selten und deshalb begehrt. Und so sitzt Francesco Tristano schon mal bei Judith Rakers und Giovanni di Lorenzo in der Fernsehtalkshow neben Reinhold Messner und Heike Makatsch. Spielt aus seinem Programm "bachCage". Und wird dann gefragt, wie das funktioniert mit den musikalischen "Grenzgängen".
Ein Begriff übrigens, mit dem er nicht viel anfangen kann. Dass er bewusst Grenzen überwindet, würde voraussetzen, dass er erst einmal solche empfindet. "Es ist einfach so, dass ich ein Pianist bin, der elektronische Musik macht" - so hat er seine Rolle in einem Interview bescheiden auf den Punkt gebracht.
Und doch scheint er ein besonderes Talent zu besitzen, verschiedene Welten miteinander zu verbinden. Zum Beispiel die rheinland-pfälzische Villa Musica und die Trierer Tuchfabrik. Also einen Hort der E-Musik für Auserwählte mit einem populären soziokulturellen Zentrum.
Das Konzert, das durch die erstmalige Zusammenarbeit beider Einrichtungen möglich wird, heißt nicht umsonst "Classic Clash". Tristano hat sich für einige wenige Abende unter diesem Motto mit dem Duisburger Pianisten Kai Schumacher zusammengetan, dessen Bearbeitungen von Rock-Klassikern der 1990er Jahre längst über den Geheimtipp-Status hinausgewachsen sind. So gibt es Musik von Buxtehude, Bach und Techno-Bearbeitungen von Tristano, aber auch Piano-Arrangements von Nirvana, Slayer oder Soundgarden.
Für dieses außergewöhnliche Programm will die Tufa am 19. April auch ein besonderes Ambiente organisieren. Der große Saal soll im Lounge-Stil bestuhlt werden, "um ein einzigartiges Hörerlebnis zu schaffen".
Karten: TV-Service-Center Trier und Bitburg sowie an der Abendkasse.

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