Von Liebesleid und munteren Fischen

Bitburg · Einen energischen Zugriff auf Liebesleid und Verzweiflung sowie eine etwas übergewichtige Forelle hat die "Meisterklasse" der MozartWochenEifel in Bitburg präsentiert. Die Nachwuchsmusiker glänzten mit Spielfreude, konnten die nachdenkliche Tiefe der von ihnen gespielten Werke allerdings nicht immer herausarbeiten.

 Engagiert, aber ein wenig ungestüm: die „Meisterklasse“ der MozartWochen Eifel bei ihrem Kammerkonzert im Haus Beda. Foto: Manfred Schuler

Engagiert, aber ein wenig ungestüm: die „Meisterklasse“ der MozartWochen Eifel bei ihrem Kammerkonzert im Haus Beda. Foto: Manfred Schuler

Foto: (g_kultur

Bitburg. Wer der Musik seine Gefühle anvertraut, kann damit rechnen, dass er ganz ohne Worte verstanden wird. Johannes Brahms Klavierkonzert Nr. 3 c-Moll, op. 60 ist so eine erschütternde Botschaft aus der Seelenkammer, die unmittelbar ihre Zuhörer ergreift. Es ist ein wahres Allerseelenstück von verlorener Liebe und unerfüllten Leidenschaften, das der Komponist 22-jährig begann und dann zwei Jahrzehnte reifen ließ, bevor es 1875 uraufgeführt wurde.
Musikalisch aufgearbeitet wird darin die nie endende Liebe des gebürtigen Hamburgers zu Clara Schumann. "Stellen Sie sich einen Menschen vor, der sich eben totschießen will", hatte Brahms in einem Brief zum Quartett seine Seelenlage beschrieben und sich mit Goethes unglücklichem Helden Werther verglichen.
Todesnähe kaum spürbar


Todesnähe hatte in Bitburg niemand zu fürchten. Mit Elan und Entschlossenheit trieben die jungen Musiker der "Meisterklasse" der MozartWochenEifel der aufs Feinste vernetzten, widersprüchlichen Komposition jegliche Endzeitstimmung und Todessehnsucht aus.
Dass die vier Nachwuchsmusiker talentiert sind, über virtuose Fähigkeiten verfügen und mit dem schwierigen Quartett sich einer gewaltigen Herausforderung gestellt hatten, steht außer Frage. Und doch blieb der Blick der engagierten, spielfreudigen Nachwuchsmusiker auf Brahms' Lehrjahre des Gefühls eher jugendlich unbekümmert, denn wissend. Bereits dem ersten ergreifenden Satz mit seinen hilflosen Seufzern und dem feinen Klavierthema fehlte die nachdenkliche Tiefe, womöglich auch die emotionale Erfahrung. All das Hadern, das schmerzhafte Sehnen, die Schutzlosigkeit des Herzens, die Brahms in seiner Musik verhandelt, wurden vom Sturmwind des Spiels hinweggefegt. Da litt auch entschieden das Andante mit seinem schönen Cellothema (Charles-Antoine Duflot, Cello) und seiner schmerzhaften Süße. Ein Satz, der zum Schönsten gehört, das je musikalisch über die Liebe geschrieben wurde.
Parforceritt zum Finale


Ihre gesamte Energie boten Boris Kusnezow am Klavier und die Streicher noch einmal im Finale auf. Statt "Allegro comodo" war Parforceritt angesagt. Geigerin Byol Kang gab Brahms die Sporen. Der harte Zugriff der Streicher (Sara Kim, Viola) ließ Trauer oder Niederlagen erst gar nicht aufkommen. Das gewaltig unter Druck geratene Klavier lief dabei regelrecht nebenher. Selten war Brahms' Quartett so energisch zu hören, und selten war Brahms dabei so weit weg.
Forsch, allerdings auch mit etlichen Kommunikationsproblemen, hatte das durch Andreas Ehelebe am Kontrabass verstärkte Quartett bereits den Abend begonnen. Auf dem Programm stand Franz Schuberts berühmtes Forellen-Quintett. Mit forciertem Spiel und Tempo gingen die Musiker schon da zur Sache. Die beherzten Geigen und das harte Klavier standen Leichtigkeit und beseelter Ausgestaltung entgegen. Statt heiter und beschwingt war die Bitburger Forelle ein echter Raubfisch.
Die über 200 Besucher bedankten sich bei den Musikern mit herzlichem Beifall.

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