Von seidener Poesie umwoben

Echternach · Eine intensive Stimme, die eine wehmütige und sinnlich-poetische Liebesgeschichte erzählt, umwoben von sanfter Jazzmusik: Joachim Król, begleitet vom South of the Border Jazztrio, hat das Publikum im Echternacher Trifolion mit Alessandro Bariccos Erfolgsroman "Seide" in einen zauberhaften Bann gezogen.

Joachim Król geht ganz in der Geschichte um Hervé Joncourt auf, der poetisch–sinnlichen Welt des Romans „Seide“. Foto: Philippe Hurlin/Trifolion

Echternach. Am Anfang hört man nur seine Stimme: Aus dem Off beginnt der Schauspieler Joachim Król mit seiner Lesung des Romans "Seide" des 1958 in Turin geborenen Autors Alessandro Baricco. Und schon mit diesen ersten Sätze, in denen von dem Franzosen Hervé Joncourt die Rede ist, hat er sein Publikum - etwa 190 Zuhörer sind ins Trifolion in Echternach gekommen - in seinen Bann gezogen.
Mehr als 90 Minuten, unterbrochen von einer Pause, hält er diese gespannte Aufmerksamkeit, erzählt die ganze Geschichte von Hervé, der Mitte des 19. Jahrhunderts Seidenraupeneier in Japan kauft und in seinen südfranzösischen Heimatort Lavilledieu transportiert, der in der Ferne von der Anmut und Schönheit einer jungen Japanerin umsponnen wird und in einer wehmütigen Sehnsucht nach dieser unnahbaren Frau "mit dem Gesicht eines jungen Mädchens" gefangen ist.
Man hätte die Augen schließen können, um nur Króls intensive Stimme an sich heranzulassen - aber dann wären einem wesentliche Komponenten dieses fein ausgearbeiteten Arrangements entgangen. Denn Król erzählt auch mit seinem Körper. Mal greift er eine im Text beschriebene Gebärde auf, immer wieder zeigt er ins Dunkle des Raumes, um die Entfernungen anzudeuten, die Hervé auf seinen Reisen nach Japan "am Ende der Welt" überbrückt. Dann wieder fühlt er mit seinen Händen den Rhythmus des Textes nach, dirigiert die Melodie von Bariccos poetischer Sprachmusik, wird eins mit dem Text, während das Lichtdesign seinen Vortrag dezent unterstreicht.
Und schließlich die Musik: Das South of the Border Jazztrio begleitet die Geschichte mit einer eigens für sie komponierten Musik. Sie flaniert im Hintergrund, akzentuiert Hervés emotionale Verwirrungen, nimmt manchmal auch vorweg, ohne aber die Literatur übertrumpfen zu wollen. Mit dieser Gesamtkomposition haben Vorleser und Musiker das Publikum in einen seidenen Kokon verpuppt, aus dem es erst der begeisterte Applaus wieder befreite. arn