Von Trier aus in die Europaliga

Wenn von Trierer Opern-Exporten in alle Welt die Rede ist, geht es fast immer um den legendären Franz Grundheber. Dabei gibt es auch andere, die regelmäßig auf großen Bühnen gastieren - wie die Mezzo-Sopranistin Diane Pilcher.

 Die Schöne und das Biest? Falsch: Verdis „Falstaff“ (Kiril Manolov) und Mrs. Quickley (Diane Pilcher, rechts) führen Böses im Schilde. Foto: Martin Kaufhold

Die Schöne und das Biest? Falsch: Verdis „Falstaff“ (Kiril Manolov) und Mrs. Quickley (Diane Pilcher, rechts) führen Böses im Schilde. Foto: Martin Kaufhold

Trier/Wiesbaden. Wer sie in "Zivil" in Trier auf der Straße, im Theater oder beim Basketball in der Arena trifft, wird sie schwerlich für eine Bühnen-Darstellerin halten. Bescheiden, locker, unauffällig, ohne Tünche: Da müsste man schon einen Röntgenblick haben, um zu sehen, dass sich dahinter eine exzellente Sänger-Schauspielerin verbirgt.

Nur wenn sie mit ihrem urwüchsigen amerikanischen Humor lauthals lacht oder mit ihrem kalifornischen Akzent Geschichten erzählt, ahnt man einen Hauch ihrer Bühnenpräsenz. Das ändert sich drastisch, wenn Diane Pilcher eine Rolle verkörpert.

Ernsthafte Gegenspielerin für dicken Ritter



Prägnante Bewegungen, eindrucksvolle Mimik, eine gut geführte, sonore Mezzo-Stimme: Das ist der Stoff, aus dem zeitgenössische Regisseure starke Rollenporträts destillieren. So wie Christian Spuck, der Pilchers neueste Produktion in Wiesbaden in Szene setzt. Sie spielt die intrigante Mrs. Quickley in Verdis "Falstaff". Das Konzept wertet ihre Rolle auf, macht sie von der komischen Alten zu einer ernsthaften Gegenspielerin für den dicken Ritter Falstaff, der - von sich selbst in höchstem Maße überzeugt - Liebschaften mit solventen Damen der besseren Gesellschaft anbahnt und dabei nicht nur auf die Nase, sondern auch in die Themse fällt. Spuck, gelernter Choreograph, setzt eine wunderbare, lebendige Bewegungsregie ein, erzählt die Geschichte ohne die üblichen Klischees, aber auch ohne sinnlose Verfremdungen. Eine Komödie, aber keine Comedy, mit hinreißenden Figuren, präzise herausgearbeitet, vor Spielfreude platzend, ausgesprochen mannschaftsdienlich musiziert vom Wiesbadener Orchester unter Marc Piollet.

Eine Sensation ist der junge Kiril Manolov in der Titelrolle, ein Trumm von Sänger, gefühlte 2,20 Meter groß, angemessen voluminös für einen Falstaff, dabei aber von großer Behändigkeit. Die Stimme suggeriert müheloses Volumen und kommt trotzdem sehr kultiviert über die Rampe - mächtig, aber ohne Ansatz zum Gebrüll.

Am Ende muss ihn Diane Pilcher fast nach vorne schieben, damit er sich die Huldigungen eines Publikums abholt, das von Aufführung und Akteuren gleichermaßen begeistert ist.

In die Freiberuflichkeit gesprungen



Die ganze Produktion macht der Sängerin unübersehbar einen Riesenspaß. Zumal sie wieder mal in einem früheren Stammhaus gastiert.

Anfang der 80er Jahre kam sie nach Trier, gehörte hier zum Ensemble, heiratete einen Mitarbeiter des Hauses - und blieb in Feyen wohnen, auch als sie vor einem Jahrzehnt den Sprung in die Freiberuflichkeit wagte. Seither verzeichnet ihre Agenda Häuser wie Berlin und Amsterdam, Leipzig, Stuttgart, Frankfurt, Zürich, Brüssel - die ganze Europaliga, wenn auch nicht immer in Hauptrollen.

Als 2005 in der Salzburger Traviata das neue Opern-Traumpaar Netrebko/Villazon geboren wurde, stand auch Diane Pilcher mit auf der Bühne. Im Herbst feiert sie ihr Debüt an der Münchner Staatsoper - mit 58.

Der Job macht ihr unverändert Spaß. Nur dass sie nicht mehr mit dem Auto zu den Opernhäusern fährt, sondern mit der Bahn.

"Erster Klasse", sagt sie, ein bisschen Luxus darf schon sein. Im Übrigen sei "nicht das Singen das Schlimme, wenn man älter ist, sondern das Schleppen". Und einmal mehr lacht sie lauthals los.

Freilich findet auch Diane Pilcher nicht alles lustig. Dass sie in ihrer Wahl-Heimat so selten auf der Bühne zu sehen ist, sei "sicher schade". An ihr würde es offensichtlich nicht liegen - wenn man so rechtzeitig fragt, dass noch Termine frei sind. Ihr Kommentar ist knapp: "Die wissen, wo ich wohne, der Rest ist nicht meine Sache."

So müssen denn ihre Trierer Fans schon mal etwas weiter fahren. Wobei sich ein Ausflug zum Wiesbadener Falstaff allemal lohnen würde. Vorstellungen gibt es am 1., 5. und 8. April.

Informationen im Internet unter: www.staatstheater-wiesbaden.de

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