Von züchtigen Frauen und aufmüpfigen Weibern
Trier · Ihre Darstellungen reichen von der Muse bis zur Mutter, von der Heiligen bis zur Hure: "Das ewig Weibliche" hat nicht nur Goethe, sondern auch Maler aller Epochen hinangezogen. Das Trierer Stadtmuseum Simeonstift zeigt jetzt die sich verändernde Position der Frau in der Gesellschaft mit Werken aus der eigenen Sammlung.
Trier. "Männer haben eine enge Brust und kleine Hüften, darum haben sie auch mehr Verstand", stellte Martin Luther fest. Für den in Glaubensfragen extrem fortschrittlichen, beim Thema "Frau" aber stockkonservativen Reformator stand deshalb fest: Aufgrund ihres "breiten Beckens und Gesäß'" war es Frauen schon von Natur aus bestimmt, "zu Hause still zu sitzen, zu haushalten und Kinder zu gebären und zu erziehen".
Was der kirchenkritische Religionsgründer aussprach, war allgemeine Meinung noch bis ins 20. Jahrhundert, als die ersten Frauenbewegungen zum Sturm auf das gängige Frauenbild antraten. Frauen gehörten ins Haus, zuständig für Kinder und Familie und wo nötig, für die Repräsentationspflichten ihres Mannes. Dass dafür die rechtlichen Grundlagen geschaffen wurden, dafür sorgten schon die allmächtigen Männer.
Zum Ausgleich durfte sich Frau seit Philip Sidneys Roman "Arcadia der Gräfin von Pembrock" (erschienen 1590) als die "bessere Hälfte" ihres Gatten betrachten - soll heißen als friedlichere, schöngeistigere.
Nicht, dass man sich bei der Rollenzuteilung nur auf Vermutungen oder gar willkürliche Zuschreibungen gestützt hätte. Das gläubige Mittelalter führte auch sein Frauenbild auf göttliche Gesetze zurück. Die selbstbewusste Renaissance beschäftigte sich bereits eingehend mit der Anatomie der Frau (siehe Leonardo da Vinci), und das 19. Jahrhundert, das gerade die systematische Wissenschaft entdeckt hatte, untermauerte sein Rollenverständnis selbstredend wissenschaftlich.
"Ich halte die Frauen zum akademischen Studium und zur Ausübung der durch dieses Studium bedingten Berufszweige in körperlicher wie geistiger Beziehung für völlig ungeeignet", befand der Medizinprofessor Ernst von Bergmann Ende des 19. Jahrhunderts, und sein Kollege, der Psychiater Paul Julius Möbius, sekundierte ihm 1901 mit seiner berüchtigten Schrift "Über den physiologischen Schwachsinn des Weibes".Kaum Alternativen zur Ehe
Tatsächlich dauerte es bis weit ins 20. Jahrhundert, bevor Frauen zu allen Berufen zugelassen wurden. Die Erwartungen an Frauen spiegelten sich natürlich auch in ihrem Erscheinungsbild und in der Mode. Der sich diskret unterm Rock wölbende Bauch mittelalterlicher Frauendarstellungen verspricht Fruchtbarkeit, die spätere Wespentaille überm breiten Reifrock betont noch die ausladenden Hüften des "gebärfreudigen weiblichen Beckens". Im Übrigen erkannte man die anständige Ehefrau an der Haube, unter der sie das verführerische Haar verbarg.
Alternativen zum Ehestand gab es kaum. Unverheiratete Frauen wurden häufig im Haus als kostenlose Arbeitskräfte geduldet oder im Kloster untergebracht. Und manch eine landete auch auf der Straße in der Prostitution.
Eben um das sich wandelnde Frauenverständnis geht es in der neuen Ausstellung im Trierer Stadtmuseum Simeonstift. Anhand von Frauen- und Familienbildern, allesamt aus dem hauseigenen Bestand, wird die Rolle der Frau zur Diskussion gestellt.
Ins Bild gesetzt ist zudem das sich verändernde Schönheitsideal, sprich der Zusammenhang zwischen Erscheinungsbild und gesellschaftlicher männlicher Erwartung. Die Frau als Mutter und Hausherrin ist ebenso dargestellt wie die Bedeutung der Mutterrolle in der christlichen Kunst. Gemälde der Neuen Sachlichkeit beleuchten die zunehmend emanzipierte Frau der 1920er und 30er Jahre.
Dargestellt werden auch die Frauenbewegungen und nicht zuletzt die allzeit vorhandenen aufmüpfigen Vertreterinnen ihres Geschlechts. Hier demonstriert durch die Schwester des Trierer Kurfürsten Clemens Wenzeslaus. Die nicht zu verehelichende Maria Kunigunde war ins Kloster gesteckt worden, dem sie wieder entfloh.Auch Werke von Künstlerinnen
Im Bild zu Wort kommen zudem die Künstlerinnen. Da sie erst seit etwa 100 Jahren selbstständig arbeiten können, ist der zweite Galeriesaal der Kunst von Frauen gewidmet. Die Trierer Schau ist ausgesprochen interessant und gibt jede Menge Denkanstöße.
Zum Glück ist es keine weinerliche weibliche Nabelschau, die hier betrieben wird, sondern Bewusstseinsarbeit, die zudem noch unterhaltsam ist. Und ein paar schöne Bilder gibt es auch neu zu entdecken, so wie das feinsinnige Frauenporträt von Guido Reni. "Es war einfach mal Zeit für dieses Thema", sagt Kuratorin Alexandra Orth. "Unter dem Gesichtspunkt ,Frauen' ist der Bestand schließlich noch nie gesichtet worden."
Die Ausstellung ist bis zum 10. April zu sehen, jeweils dienstags bis sonntags von 10 bis 17 Uhr. Es gibt ein großes Begleitprogramm zur Schau.
Kontakt: Telefon 0651/7181459, www.museum-trier.de