Über ihr von Missachtung und vielfältiger Gewalt geprägtes Schicksal trösten die Geschwister sich Rücken an Rücken sitzend: In dieser Körperhaltung erzählen sie sich Geschichten, erlebte und erfundene. Eine Art seelisches Überlebensmanöver. "Rücken an Rücken" heißt der jüngste Roman von Julia Franck, der Buchpreisträgerin von 2007 ("Die Mittagsfrau"), die damit erneut ein Stück deutsche Vergangenheit aufarbeitet. Dabei gerät die feinfühlig erzählte Geschichte der nach Wärme und Geborgenheit lechzenden Kinder und ihre oft sehr körperliche Not zu einer vernichtenden Abrechnung mit dem Gesellschaftssystem der DDR. Julia Franck selbst liest ihren Roman in der Hörbuchversion. Das hat manchen Vorzug: die Lautmalereien, mit denen die Kinder sich bisweilen unterhalten, kann die Erfinderin ausdrucksstark inszenieren. Ebenso differenziert Franck die Stimmen in den Dialogen: Wo sie im Buch auf Anführungszeichen verzichtet, verrät auf CD der Ton der Figuren unmissverständlich, wer da spricht. Und die Berliner Schnauze oder eine gesungene Liedzeile lassen sich auch besser hören als lesen. Dennoch ist die Hörversion die schlechtere Wahl: Die Geschichte um Ella und Thomas wird nämlich nicht linear erzählt. Vielmehr muss der Hörer oder Leser sie sich erschließen durch Fragmente der Erinnerung, Gedanken, innere Monologe, Beobachtungen. Und das in einer sehr differenzierten, bildreichen Sprache. Das ist anspruchsvoll - und kein Stoff zum Nebenher-Hören. Ärgerlich ist der Tonschnitt: Da wurden willkürlich Szenen durchtrennt, damit der Verlag neun gleichlange Silberlinge brennen kann. Auch bei der Nummerierung der Kapitel hat offenbar keiner auf den Inhalt gehört. Annemarie Heucher
Julia Franck, Rücken an Rücken, Vollständige Lesung, ca. 615 Min., 9 CDs, Der Hörverlag 2011, 29,99 Euro