Vorhang auf für die "Müll-Oper"

TRIER. Jahrelang galt der "Struwwelpeter" als Horror-Szenario aus finstersten pädagogischen Zeiten. Bis er 2001 in London als "Shockheaded Peter" ein grandioses Comeback in schräger Musical-Version feierte. Mit der Trierer Band "Shanes" erlebt er am Samstag seine Premiere im großen Haus.

Was mag den Frankfurter Nervenarzt Heinrich Hoffmann im tiefsten 19. Jahrhundert wohl geritten haben, als er - ausgerechnet für seinen dreijährigen Sohn - die gruseligen Moral-Geschichten vom Struwwelpeter erfand? Das verbrannte Paulinchen, Konrad mit dem abgeschnittenen Daumen, der magersüchtige Suppenkasper: ein veritables Horror-Kabinett. Und das mit europaweiter Wirkung, trieb doch der schlecht frisierte und manikürte Titelheld auch in Britannien als "Shockheaded Peter" sein Unwesen. Kein Wunder angesichts des schwarzen englischen Humors, dass sich 2001 im Londoner Piccadilly Theatre eine schräge Komödianten-Truppe und die kultige Band "Tiger Lillys" zusammen fanden und den grellen Stoff zu einem "Junk Opera" genannten Musical verarbeiteten. Schon eher überraschend, dass die irgendwo zwischen Tom Waits, Rocky Horror und Monty Pythons angesiedelte Mischung der absolute Renner der Saison wurde und mit dem Olivier Award 2002 einen der renommiertesten Theaterpreise abräumte.Arme und Beine müssen beweglich bleiben

Seither überschlagen sich Theater in ganz Europa bei dem Versuch, die "Müll-Oper" als erste aufzuführen. Und gegen alle Gewohnheiten ist Trier bei den Schnellsten. So schnell, dass beispielsweise die "Shanes", Triers Rock-Pop-Polka-Export Nr. 1, erst vor vier Wochen endgültig erfuhren, dass sie bei der Produktion des Stadttheaters den Soundtrack produzieren sollen. Seither haben die Musiker um Sänger Martin Schümmelfeder alias Kornelius Flowers Überstunden im Probenraum einlegen müssen. Schließlich entspricht das Original-Material, das die Band weitgehend von CDs "ablauschen" musste, nicht unbedingt der Besetzung und dem Stil der "Motörhead of Folk", wie sich die Shanes auf ihrer Homepage titulieren. Inzwischen haben die Bühnenproben begonnen, und die Band kann sich schon mal an das ungewohnte Gefühl gewöhnen, in kompletter Kostümierung auf der Bühne zu stehen. Denn in der Inszenierung von Alexander Etzel-Ragusa ist das Sextett ins Bühnengeschehen integriert. "Arme und Beine müssen wir noch bewegen können", beschreibt Schümmelfeder die Mindest-Anforderungen an den Ko-stümbildner. Die Ausstattung stammt von Manfred Breitenfellner. Auch die Besetzung lässt Bestes erhoffen, fungiert doch der unvergessliche "Black Rider" Klaus Michael Nix als "Direktor", der durch die makabre Märchenwelt führt. Tim Olrik Stöneberg, Raimund Wissing und Pia Röver sind die kindlichen Opfer; Eva Steines und Markus Angenvorth die den Errungenschaften der antiautoritären Erziehung nicht gerade aufgeschlossenen Eltern. Premiere ist am Samstag, 6. Dezember, 19.30 Uhr; Karten: 0651/718-1818.

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