Waffen gegen das schlechte Gewissen

Echternach · Ist die Demokratie in Deutschland zum nebenbei konsumierten Mitnahmeartikel verkommen? Unter anderem dieser Frage ist Kabarettist Mathias Richling in seinem aktuellen Programm "Deutschland to go" nachgegangen. Dazu ließ er im Trifolion Echternach das politische Spitzenpersonal des Landes aufmarschieren. Seine glänzenden Parodien und seine pointierte Scharfzüngigkeit begeisterten mehr als 300 Besucher.

 Als Altkanzler Helmut Schmidt bekennt Mathias Richling, dass er die SPD gerne noch weiterführen würde, wäre er nur zwei jahre jünger. TV-Foto: Anke Emmerling

Als Altkanzler Helmut Schmidt bekennt Mathias Richling, dass er die SPD gerne noch weiterführen würde, wäre er nur zwei jahre jünger. TV-Foto: Anke Emmerling

Echternach. Die Bühne steht voller bunter Koffer. Auch Mathias Richling trägt einen und sagt: "Deutschland ist mir zum Auswandern, hier wird ja alles reglementiert und verboten." Aber gibt es da vielleicht doch noch etwas, das bindet - hohe Werte wie Demokratie?
Die Befindlichkeitsanalyse, die Richling in atemberaubendem Tempo hervorsprudelt - "rede ich zu schnell?" - klingt ernüchternd, Stichwort Wahlmüdigkeit. Ursachen findet der 62-jährige Schwabe in "einlullender Schweberhetorik" der Kanzlerin wie auch in "moralischer Wendehalsigkeit", beispielsweise eines Joschka Fischer, der erst gegen Atomkraft war und nun Atomkonzerne berät.
Vor allem aber macht er sie im System der "parlamentarischen Demoskopie" aus. Unterstützt von Medienprodukten wie "Frank Aufgeblasen" bei "Quark aber ungefähr" erhalte der Einzelne zu viel Information, davon aber zu wenig, um eine Meinung zu entfalten. "Fast Brain und fertig ist die Ansichtsterrine", sei das Rezept, das Politik banalisiere.
Eine Chance, wirklich Farbe zu bekennen, sollen die Verantwortlichen aber bekommen. Deshalb schickt sie Richling ins Casting. Nun lebt der quirlige Kabarettist, der bis dato in seinen Sportschuhen über die Bühne sprintete und dabei Gepäckstücke verschob, sein herausragendes parodistisches Talent aus. Mit Hilfe eindeutiger Accessoires wie dem Kanzlerinnen-Blazer, die er aus jeweils parteifarbenen Koffern zieht, lässt er unter anderen Angela Merkel, Volker Kauder, Winfried Kretschmann, Wolfgang Schäuble, Klaus Wowereit und - weil aus der FDP aktuell kein anderer verfügbar - Hans-Dietrich Genscher aufmarschieren und sich zur aktuellen Lage in Deutschland und Europa äußern.
Das ist ein köstliches Spiel, das dem Publikum die Lachtränen in die Augen treibt. Schön tumb kommt zum Beispiel Günther Oettinger herüber, der noch gar nicht gemerkt hat, dass er jetzt EU-Kommissar fürs Digitale ist, aber zu Hause Festnetz hat. Schön eitel dagegen Klaus Wowereit, der den Flughafen Berlin als seine persönliche Pyramide sieht und in dessen verzögerter Eröffnung nur Vorteile für den Naturschutz.
Schön scharf schießt Richling, als er die Kanzlerin sagen lässt: "Ob wir nun U-Boote an Israel oder Panzer an die Saudis liefern - die Deutschen haben nie versucht, ihre Taten von vor 70, 80 Jahren zu bereuen, sondern nur genügend Waffen in die Weltgeschichte zu liefern, damit andere auch mal schuldig werden."
Er verteilt gleichmäßig nach allen Seiten, benutzt den ureigenen Sprachgebrauch und die Floskeln eines jeden Politikers, um dessen Gebaren zu entlarven, vergisst dabei aber nie, Respekt vor der Person zu wahren.
Zum Schluss erinnert er daran, wer der Souverän dieser politischen "Angestellten" ist, nämlich der Bürger, und dass der durchaus selbst für eine Idee und einen Wert kämpfen und einstehen kann, Signale dafür gebe es ja schon allerorten. Damit findet er ein versöhnliches, leicht optimistisches Ende: "Denn auch für die Zukunft gilt: Mit Deutschland kannst du alles machen, zur Not auch eine richtige Demokratie."
Mit brandendem Applaus und vielen persönlichen Lobesworten bedanken sich die Zuschauer für diesen ebenso amüsanten wie gehaltvollen Abend.

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