Was das Leben mit dem eigenen Leben tut

Trier · Isabella Gregor inszeniert und Carin Filipcic ist "Lola Blau" in Georg Kreislers biografischem Abend. Er erzählt die Geschichte einer jüdischen Sängerin, die in politisch lebensgefährlichen Zeiten ihren Traum von der Karriere verfolgt - und dabei vor Verfolgung fliehen muss.

 Carin Filipcic bestreitet den Abend mit „Lola Blau“ allein. Foto: Felicitas Matern

Carin Filipcic bestreitet den Abend mit „Lola Blau“ allein. Foto: Felicitas Matern

Foto: (g_kultur

Trier Das Stück ist eigentlich ein Zufallsprodukt. Der Kabarettist Georg Kreisler hatte den Proben eines Chansonabends seiner Frau Topsy Küppers beigewohnt, die mit dem Ergebnis überhaupt nicht zufrieden war. Kreisler erkannte, dass eigentlich kein Liederabend stattfinden sollte, sondern ein Theaterstück. Das war 1971 im Kleinen Theater in der Wiener Josefstadt. Also setzte er sich an den Schreibtisch und verfasste neue Texte zu einigen seiner Kompositionen. Die Proben wurden zum "work in progress", erst sieben Tage vor der Premiere war das Stück fertig - und auf Anhieb so erfolgreich, dass "Heute Abend: Lola Blau" allein nach der Uraufführung 200 Mal gespielt wurde.
"Heute Abend - Lola Blau" hätte auch heißen können "Heute Abend - Georg Kreisler", denn natürlich hat der österreichische Komponist, Textdichter und Sänger hier seine eigene Lebensgeschichte aufgeschrieben, erzählt Isabella Gregor, die dieses Ein-Frau-Stück nun in Trier inszeniert und sich damit als Wiederholungstäterin outet - ebenso wie Hauptdarstellerin Carin Filipcic. Beide Frauen haben "Lola Blau" schon mehrfach zu Bühnenleben verholfen.
Abgesehen vom australischen Pianisten Dean Wilmington, der "Lola" musikalisch auf ihrer unfreiwilligen Weltreise begleitet, die 1938 als Flucht vor den Nazis beginnt, handelt es sich also um einen durch und durch österreichischen Abend, der am Samstag im Kasino am Kornmarkt Premiere hat. "Mit wenig Requisiten wollen wir Räume schaffen für die Bilder eines Lebens", erzählt Gregor und zeigt auf einen riesigen, abgewetzten Koffer, der scheinbar verloren im Raum steht: "Da ist ihre Vergangenheit drin, und wir erzählen die Geschichte - anders, als Kreisler es ursprünglich geschrieben hat - aus der Perspektive der älteren Lola, die sich erinnert, wie es damals war." Sie hätte es als unglaubwürdig empfunden, die Nazizeit als Gegenwart zu inszenieren, erläutert sie ihr Konzept.
Aber "Themen wie Flüchtlinge, Fremdheit, Unbehaustheit, Heimatlosigkeit, die im Stück behandelt werden, beherrschen derzeit ebenfalls die Schlagzeilen. ,Lola' erzählt von einer bewegten Zeit, und auch wir leben in bewegten Zeiten." Diese Lola habe zu Beginn eigentlich "recht naiv ihrem Leben gegenübergestanden. Sie will nur Theaterspielen und bekommt überhaupt nicht mit, was um sie herum vorgeht". Erst im Lauf der Zeit merke sie, "was das Leben mit dem eigenen Leben tut". Doch trotz des ernsten Themas, trotz Flucht, Nazis und Wurzellosigkeit, Sehnsucht nach Geborgenheit und unerfüllter Liebe, sei "Lola Blau", darauf weist Isabella Gregor ausdrücklich hin, "auch ein Abend mit sehr viel Humor, Sarkasmus, tollen Liedern - und ausgesprochen witzig".
Ein Abend, den Carin Filipcic allein bestreitet. So einen physischen wie psychischen Kraftakt, schafft man den nur, indem man bloß noch Kamillentee trinkt? Das tue sie ganz bestimmt nicht, wehrt die Schauspielerin ab. "Natürlich wird einem schon bei den Proben klar, dass es eine Tour de force ist - aber es ‚rennt' auch einfach so durch. Erst beim letzten Lied merke ich, wow, ich hab's fast geschafft! Da spür ich dann schon, dass es ein Kraftakt ist. Aber mittendrin? Denke ich überhaupt nicht dran!"
Premiere ist am Samstag, 6. Mai, 19.30 Uhr, im Kasino am Kornmarkt, Karten: Telefon 0651/718-1818.
Extra: SCHAUSPIELERIN UND REGISSEURIN

Was das Leben mit dem eigenen Leben tut
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Isabella Gregor, 1962 in Wien geboren, kommt aus einer Musikerfamilie. Die Mutter war Sängerin, der Vater Dirigent, und ihr Cousin ist Franz Welser-Möst, ebenfalls Dirigent. Engagements als Schauspielerin hatte sie am Grazer Schauspielhaus, dem Landestheater Salzburg und am Burgtheater Wien. Seit den 1990er Jahren arbeitet sie als Regisseurin im Schauspiel und Musiktheater. Sie inszenierte unter anderem "Kritiker" von Arthur Schnitzler, "Kopenhagen" von Michael Frayn, "Lulu" nach Frank Wedekind, Operetten ("Die lustige Witwe", "Das Feuerwerk", "Orpheus in der Unterwelt") und "Die Zauberflöte". Foto: Sabine Hauswirth

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