Was die Nachwelt aus Nero machte: Das Trierer Stadtmuseum zeigt, wie der Mythos weiterlebt

Trier · Das Bild vom feisten, dekadenten, brutalen, lüsternen, Frauen mordenden Nero, der Rom anzündete, mag falsch sein, aber es hat sich in die Netzhaut der Geschichte gebrannt. 300 Exponate, die dem Mythos Nero nachspüren, sind ab Samstag im Simeonstift zu sehen.

Trier. Schon das 2,50 Meter große Messer im Brunnenhof wird die Besucher darauf vorbereiten, dass drinnen Lust, Laster und Verbrechen im Mittelpunkt stehen. All die Morde, Marotten und menschlichen Makel, all die düsteren Seiten des Despoten, all die hundertfach reproduzierten Klischees über den römischen Kaiser Nero werden zu sehen sein, wenn das Stadtmuseum Simeonstift am Samstag, 14. Mai, seine Pforten zur großen Nero-Schau öffnet. Denn dieses Museum zeigt nicht, wie Nero war, sondern was die Nachwelt künstlerisch aus ihm machte. "Der gute Mensch ist kein gutes Thema", sagt Museumsdirektorin Elisabeth Dühr. Dass es unter Neros Herrschaft fünf gute Jahre gab, dass er die Lebensmittelversorgung verbesserte, dass er keinen Krieg führte, die Künste förderte und grandiose Architektur inspirierte, spielt in den Bildern, Filmen, Opern oder Comics über Nero keine Rolle.

Kein Wunder. Wurde das Bild, das von ihm blieb, doch geprägt von Menschen, die ihn verabscheuten: Zum einen von Geschichtsschreibern der römischen Oberschicht, die es Nero verübelten, dass er sich so unkaiserhaft benahm. Es gehörte sich für einen Kaiser einfach nicht, zu singen, zu musizieren oder in Frauenkleidern auf die Bühne zu treten. Die Queen geht schließlich auch nicht ins Dschungelcamp. Zum anderen wurde Neros Bild geprägt von Christen, die es ihm übel nahmen, dass er Glaubensbrüder verbrannte, kreuzigte oder wilden Tieren vorwarf.

Kino-Atmosphäre und Kakao

Trotz oder gerade wegen dieses Negativ-Images wurde Nero Superstar. So der Titel der ersten von sieben Stationen, auf denen die Besucher durch die 550 Quadratmeter große Ausstellung mit ihren rund 300 Exponaten geführt werden. Die ersten lassen sich vom Kinosessel aus genießen, denn Station 1 ist inspiriert von der Kino-Atmosphäre der 50er Jahre. "Es ist Hollywood zu verdanken, dass jeder Nero kennt", sagt Dühr. Wer sah nicht Quo vadis, in dem Peter Ustinov Rom anzündet? Nero hat es allerdings nicht nur auf die Leinwand gebracht, sondern er wurde in all seiner Dekadenz auch Held der Etiketten von Liebigs Fleischextrakt oder Suchard Kakao (siehe Bild). Seine Mutter Agrippina ziert Bierdeckel.

Die zweite Station zeigt Nero in großformatigen Portraits als Kaiser, Künstler, Antichrist. Die Malereien, Fotos und Büsten offenbaren, dass das Bild, das Menschen von Nero hatten, jahrhundertelang gleich blieb: missmutig und schmollmündig sitzt der lockenumrahmte, lorbeergekrönte Kopf des Kaisers auf einem feisten Stiernacken.
Ins Netz der Intrigen führt Station 3. Sie widmet sich in Malereien und Skulpturen aus verschiedenen Jahrhunderten dem Brand Roms, dem Tod von Neros Halbbruder Britannicus und dem erzwungenen Selbstmord Senecas, den der niederländische Maler Gerrit van Honthorst 1623/27 in seinem fantastischen Spiel mit Licht und Schatten in Farbe festhielt.

Sex und Gewalt

Um all die Frauen (und Männer), die Nero liebte und tötete (oder kastrieren ließ), um Sex und Crime, geht es unter dem Titel Lust und Verbrechen: Mehrere Kunstwerke widmen sich dem Muttermord, darunter ein Gemälde von Antonio Molinari. Den Tod von Neros Frauen Octavia und Poppaea zeigen Holz- und Kupferstiche.
Von Neros Ende gibt es ganz unterschiedliche Bilder. Der christlichen Legende zufolge erfror er in der Wildnis und wurde zur Strafe für seine Sünden von Wölfen gefressen. Eine Szene, die auf einem Medaillon zu sehen ist, das in ein goldgewirktes Gewand eingelassen ist. Zu sehen ist Neros Tod (als Folge seines Selbstmords) auch im Großformat von Smirnow (1888). Ein Bild, das Dühr magisch findet.
Dass Nero ein Leben für die Bühne führte, spiegelt Station 6 wider. Zwei Bühnen sind dort angedeutet, zu hören sind Nero-Opern von Händel und Monteverdi, zu sehen sind Kostüme von der Trierer Nerone-Aufführung (Antikenfestspiele 2010) sowie Fotos von Oper- und Schauspiel-Inszenierungen.
Dass Nero aktuell ist, beweist die letzte Station Fiedeln, während Rom brennt - sie zeigt den Kaiser in der Karikatur. Mit dem Wissen, dass das Klischee auch rund 2000 Jahre nach Neros Tod noch funktioniert, entlässt das Haus die Besucher ins Heute.Extra

Es ist die erste Nero-Ausstellung in Mitteleuropa: Rund 700 Exponate aus mehr als 15 Ländern sind vom 14. Mai bis 16. Oktober bei einer großen Schau über den römischen Kaiser in drei Trierer Museen zu sehen. Die Ausstellung "Nero - Kaiser, Künstler und Tyrann" wolle Nero (37 bis 68) in neuem Licht mit all seinen Facetten zeigen, sagt Marcus Reuter, Direktor des Rheinischen Landesmuseums, das die historische Persönlichkeit beleuchtet. Das Museum am Dom setzt sich mit der Christenverfolgung Neros auseinander. Nero- Schauspiel: Im Simeonstift wird ein Theaterstück von acht Autorinnen aufgeführt, das Nero aus weiblicher Perspektive zeigt. Die Premiere ist am 17. Mai, 20 Uhr. Weitere Termine: 19. Mai, 20 Uhr, 24. Mai, 20 Uhr, 25. Mai, 21.30 Uhr, 27. Mai, 2. Juni, je 20 Uhr. Mos

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