Was kommt nach dem Fieber?

Während das Kulturhauptstadt-Jahr der Großregion in sein letztes Quartal einbiegt, macht man sich hinter den Kulissen schon Gedanken, wie man die guten Ansätze in die Zeit nach 2007 übertragen kann. Zwischen verbalen Bekundungen und der Praxis klafft dabei in Rheinland-Pfalz eine Lücke.

Luxemburg/Trier/Mainz. Die Party dauert inzwischen fast neun Monate. Seit Anfang Dezember 2006 in Luxemburg der Startschuss für die Europäische Kulturhauptstadt fiel, sonnen sich vor allem Politiker im Glanz der neuen, grenzüberschreitenden Kooperation. Keine Feier ohne Juncker, Beck & Co. - und ohne das Bekenntnis, das grassierende Hauptstadt-Fieber müsse in eine nachhaltige Verbesserung der Kooperation münden. Wenn man nachfragt, wie das praktisch aussehen soll, werden die Beteiligten meist wortkarg. Immerhin haben die Regionalkoordinatoren - die örtlichen Verantwortlichen im Saarland, Luxemburg, Rheinland-Pfalz, Lothringen und Südbelgien - aus ihrer Erfahrung heraus ein Konzept entwickelt, wie es weitergehen könnte. Kurz gefasst, schwebt ihnen folgendes vor: Ein grenzüberschreitender Verein - es könnte auch der jetzige Kulturhauptstadt-Verein sein - soll die Koordination ab 2008 fortführen, mit Hilfe eines gemeinsamen Sekretariats. Die Regionalkoordinationen vor Ort bleiben erhalten, man trifft sich regelmäßig. Das Internet-Portal "plurio.net" fungiert als gemeinsame Informations-Plattform, der blaue Hirsch bleibt als Logo und "Corporate Identity" erhalten. Einmal im Jahr gibt es ein gemeinsames Großregion-Kulturfestival, ein weiterer Schwerpunkt ist die Jugendkulturarbeit. Spezielle Kompetenznetzwerke sollen das Angebot abrunden. Bezahlen will man die Struktur über EU-Mittel, die aber von den Regionen kofinanziert werden müssten.Die Experten sind sich einig, die Politik hingegen hält sich zurück. Man sei sich "prinzipiell einig, dass eine Verstetigung der grenzüberschreitenden Kooperation wünschenswert ist", sagt das Kulturministerium in kulturfreiem Bürokratendeutsch. Die "Überlegungen" sollten "in weiteren Treffen konkretisiert und ausdifferenziert werden". Das ist gut 100 Tage vor dem Kulturhauptstadt-Finale etwas dünn. Aber die Uhren in Sachen Großregion gehen in Mainz ohnehin anders als in Trier. Bestes Beispiel ist die Internet-Plattform "plurio.net", die unter Ministerial-Repräsentanz als zukunftsweisendes Kommunikations-Instrument der Großregion vorgestellt wurde. 300 000 Euro hatten die Regionen, darunter auch Rheinland-Pfalz, locker gemacht, um das Musterprojekt zu entwickeln. Ab Jahresbeginn 2007 sollte es als Veranstaltungskalender, Projektbörse, Künstler-Drehscheibe und Ticket-Service fungieren - die Universal-Anlaufstelle schlechthin. Im Großen und Ganzen funktioniert das - nur nicht für Rheinland-Pfalz. Veranstaltungen aus Trier oder Koblenz sind Fehlanzeige, hiesige Kulturanbieter erhalten keinen Zugang, Künstlern bleibt die Projektbörse verschlossen. Der Nutzer erfährt nichts. Einzige Präsenz ist die Werbung für das Hambacher Fest - und das hat bereits im Mai stattgefunden.Hick-Hack um gemeinsame Internet-Plattform

In Mainz schiebt man dem Luxemburger Plattform-Betreiber den schwarzen Peter zu. Der habe "die ursprünglich vereinbarte Datenübertragung durch technische Veränderungen unmöglich gemacht" und davon die rheinland-pfälzische Seite "nicht in Kenntnis gesetzt". Starker Tobak, denn Betreiber von "plurio.net" ist die zum Umfeld des Luxemburger Kulturministeriums gehörige Agentur Alac. Dort weist man die Mainzer Anschuldigungen zurück: Die Deutschen hätten ausdrücklich darauf bestanden, den Daten-Transfers über das landeseigene Portal "Kulturland Rheinland-Pfalz" abzuwickeln, sagt "plurio.net"-Manager Frank Thinnes. Dadurch sei es zu "Problemen beim Workflow-Management" gekommen.Dass es auch anders gegangen wäre, daran hat Thinnes keinen Zweifel. So lägen die meisten für die Großregion relevanten Kulturdaten etwa beim Trierer Kulturbüro oder bei der Initiative Region Trier vor. Aber deren Nutzung habe das Land nicht akzeptiert. "Mainz hat die Dimension der grenzüberschreitenden Arbeit nicht erkannt", so das Fazit aus Luxemburg. Beim Landesministerium sieht man das gelassener. Nachdem man bemerkt hatte, dass etwas nicht stimmt, sei "eine neue Schnittstellengestaltung in Angriff genommen worden". Gute Kunde: "Nach einer Testphase" sei "mit einer baldigen Aktualisierung zu rechnen". Meinung Zeit für klare Ansagen Wenn das Kulturhauptstadtjahr in der Großregion nicht als Strohfeuer enden soll, dann muss es schnelle und klare Ansagen für 2008 geben. Was nicht bis zum Herbst unter Dach und Fach gebracht wird, wird versanden. Und das wäre mehr als schade angesichts der Perspektiven, die die Initiative von Jean-Claude Juncker eröffnet hat. Schön wäre es, wenn sich die Mainzer Landesregierung gemeinsam mit den Luxemburgern an die Spitze der Bewegung setzen würde, statt zu warten, ob man am Ende vielleicht noch auf den letzten Wagen des fahrenden Zuges aufspringen kann. Und es bräche der Ministerialbürokratie auch kein Zacken aus der Krone, wenn sie akzeptieren würde, dass sich die Koordination eines Kulturangebotes, das sich überwiegend zwischen Saarbrücken, Metz, Kaiserslautern, Luxemburg und St. Vith abspielt, leichter von Trier aus organisiert werden kann als vom fernen Mainz. Warum nicht das Kulturbüro oder die IRT mit der Wahrnehmung der Geschäfte beauftragen - natürlich mit der Auflage, Speyer und Koblenz nicht zu vergessen. Keine Panik: Es wäre ganz sicher nicht der erste Schritt zum Separatismus. d.lintz@volksfreund.de

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