Geschichte Was wir über die Porta Nigra noch nicht wussten - Wissenschaftler diskutieren in Trier über neue Erkenntnisse zur Baugeschichte

Trier · Wer immer die Illusion hatte, die Porta Nigra sei als Forschungsgegenstand ausgereizt, wurde beim Kolloquium im Rheinischen Landesmuseum eines Besseren belehrt. Von Thesen zur Baugeschichte bis zu stadtplanerischen Konzepten reihten sich die neuen Erkenntnisse. Höchst alarmierend sind Befunde zur Bausubstanz im Inneren des Trierer Wahrzeichens.

 Eine Etappe der abwechslungsreichen Baugeschichte der Porta Nigra zeigt dieses Modell: die im 11. Jahrhundert aus dem römischen Stadttor errichtete Doppelkirche. Foto: T. Zühmer

Eine Etappe der abwechslungsreichen Baugeschichte der Porta Nigra zeigt dieses Modell: die im 11. Jahrhundert aus dem römischen Stadttor errichtete Doppelkirche. Foto: T. Zühmer

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Trier. Thomas Metz von der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz brachte die verbreitete Illusion auf den Punkt: "Die meisten Menschen denken ja, man weiß alles über die Porta Nigra." Dabei zeigten die Vorträge und Debatten eines ganztägigen Kolloquiums im Trierer Landesmuseum: Die historische Forschung ist noch längst nicht beim sattsam Bekannten gelandet.
So bezeichnete Heinz Günter Horn vom Rheinischen Verein für Denkmalpflege die "Preußenzeit ab 1815 als "dunkle Epoche", zu der bislang nur wenig Forschungsergebnisse vorlägen. Die Referentinnen Birte Geißler (zum römischen Bau), Anika Molter (zum mittelalterlichen Bau) und Martina Kancirova (zum barocken Bau) entwickelten bei der Vorstellung ihrer Dissertationsprojekte neue, wenn auch nicht unumstrittene Thesen. Die gravierendste, die prompt Widerspruch bei einigen Seminarteilnehmern provozierte: Die Oberkirche der Doppelkirche sei erst im zwölften Jahrhundert entstanden. Bislang geht man davon aus, dass sie unter Erzbischof Poppo im elften Jahrhundert gebaut wurde (siehe Extra mit Daten zur Porta Nigra).
Aus einer Chronologie, die Tagungsleiter Eduard Sebald einleitend skizzierte, ging übrigens hervor: Zwar befahl Napoleon 1804 den Abriss der Kirche, durchgeführt wurde dieser indes ab 1816 von der preußischen Verwaltung. Das korrigiert ältere Darstellungen, die den Abriss den Franzosen zuschreiben, ganz erheblich.
Dass sich dann ausgerechnet ein Referat mit dem akademischen Titel "Die Porta Nigra im Fokus der Putz- und Fassungsbefunde" zum Brennpunkt der Tagung entwickeln würde, dürfte unter den rund 200 Teilnehmern niemand geahnt haben. Stefan Klöckners Fazit nach der Auswertung von insgesamt 130 Befunden im Innenbereich der Porta Nigra: "Es gibt einen gravierenden Verlust in der Bausubstanz." Gefährdet seien vor allem die wertvollen Relieffiguren und -ornamente. Eine Restaurierung und eine Sicherung ist allerdings erst nach Abschluss der Arbeiten an den Kaiserthermen möglich.
Auch mit dem Umfeld der Porta steht es nicht zum Besten. Ein Wettbewerb der Stadt zur Neugestaltung führte 2010 zu einem prämiierten Vorschlag, blieb aber seither folgenlos. Dabei hätte die Idee des Berliner Architektenbüros LOIDL, die auf die Freistellung der Porta in einem autofreien Umfeld hinausläuft, nach Meinung vieler nicht nur eine eingehende Erörterung verdient, sondern auch eine entschiedene Umsetzung.
Generell beklagte Landeskonservatorin Roswitha Kaiser in der abschließenden Diskussion eine Lücke zwischen bauhistorischer Theorie und stadtplanerischer Praxis. Die ließ sich auch durch die höchst interessanten, aber historisch weitgehend hintergrundlosen Beiträge von Claus und Frank Dießenbacher und Christoph Stratenwerth zur Präsentation der Porta nicht schließen. Dabei ging es beispielsweise um eine Inszenierung mittels Lichtinstallationen oder eine Technik, die Smartphone-Benutzern erlaubt, sich beim Scannen des Bauwerks mit ihrem Mobiltelefon frühere Baustadien der Porta Nigra virtuell auf dem Bildschirm anzeigen zu lassen.

Immerhin einigte sich die Diskussionsrunde, an der sich auch Kulturdezernent Thomas Egger beteiligte, auf einige Minimalpositionen: Sorgfalt und Sparsamkeit bei Licht und Ton, Respekt vor der Würde des historischen Denkmals und vor allem emotionale Vermittlung und persönliche Führung. Damit einhergehen sollte eine Anbindung an die Lebens- und Empfindungswelt von Bewohnern und Besuchern.Extra

* im 2. Jahrhundert n. Chr. errichtet als Teil der römischen Stadtbefestigung * um 1037 - 1042 nach dem Tod des heiligen Simeon (um 1035) Gründung des Simeonstifts durch Erzbischof Poppo. Einbau der Simeonskirche in die Porta Nigra, Weihe 1042. * um 1150 Fertigstellung des romanischen Chors, Einwölbung des Langhauses * 1746 bis nach 1750: Völlige Neugestaltung des Inneren * 1804 Entscheidung Napoleons zum Rückbau * 1816-1822 Rückbau unter preußischer Verwaltung * 1937/38 Rekonstruktion des Kreuzgangs durch Friedrich Kutzbach * 1968-73 Restaurierung vornehmlich des Äußeren unter Heinz Cüppers und Veit GeißlerSchäden am Bauwerk: * Oberfläche: Krusten, graue Verschmutzung, Bewuchs, Salzausblühungen * Stein: Schuppen, Schalen, Risse, Brüche * Schäden an Originalquadern verursacht durch Ergänzungen von 1968-73 * Schäden an Neuteilen von 1968-73 durch mangelhaften Einbau Vorgesehene Maßnahme: Große Bereiche sollen mit Lasern gereinigt werden. Die Porta Nigra wird dadurch kaum merklich heller sein, dafür aber nicht so gescheckt wie heute. möExtra

Eduard Sebald, Direktor der Landesdenkmalpflege in Mainz. Herr Sebald, die Porta Nigra steht rund 1800 Jahre auf ihrem Platz. Da müsste doch eigentlich alles erforscht sein. Warum erneut ein wissenschaftliches Kolloquium? Eduard Sebald: Es ist eben doch nicht alles erforscht. In der Vergangenheit hat man besonderen Wert auf die antike Porta gelegt. Zur Porta im Mittelalter und in der Neuzeit gibt es noch erheblichen Forschungsbedarf. Wir haben vor allem neue Erkenntnisse zum Bau selber gewonnen. Und die müssen bei der längst fälligen Restaurierung unbedingt berücksichtig werden. Welche Auswirkungen könnten neue Erkenntnisse und daraus folgende Maßnahmen für die Stadtarchitektur haben? Sebald: Für die Stadtarchitektur nur wenig. Einfach, weil die Porta Nigra nun mal die Porta Nigra ist. Nach den geplanten Restaurierungsmaßnahmen wird das Bauwerk etwas heller sein, aber das wird sich auf das Stadtbild kaum auswirken. Aber es geht auch um die Porta Nigra im Bewusstsein der Trie-rer Bevölkerung. Sie ist nicht nur ein antiker Bau, sondern hat auch eine mittelalterliche und eine neuzeitliche Geschichte. Auch das Simeonstift sollte stärker gewürdigt werden. Es ist der Grund, warum die Porta Nigra heute noch steht. Nun ist der sogenannte Brunnenhof im Simeonstift ja architektonisch nicht gerade im besten Zustand ... Sebald: Es ist eben kein Brunnenhof, sondern ein Kapitelshof mit dem ältesten Kreuzgang, den wir in Deutschland haben. Die Stadt sollte diesen Hof unbedingt aufwerten - das Simeonstift ist ja städtisch. Also ein Appell an die Stadt Trier? Sebald: Ja, ganz eindeutig! Hat dieses Kolloquium Einsichten gebracht, die auch für Sie neu sind? Sebald: Die Ansätze der Referentinnen zur römischen, mittelalterlichen und neuzeitlichen Porta sind sehr anregend. Natürlich sind sie teilweise strittig, deshalb gab es auch Widerspruch aus dem Teilnehmerkreis. Was ich für wirklich wichtig halte, sind die Einsichten von Stefan Klöckner zu den Putz- und Fassungsbefunden. Da müssen wir bald etwas unternehmen, sonst sind die Schäden an der Porta Nigra nicht mehr zu beheben. mö

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