Welt, lass dich umarmen!

TRIER. Neue Traditionen: Bei den "Christmas Moments" dreht sich alles um alte und neue Weisen und um die richtige Einstimmung aufs Fest. Das gelang Thomas Schwab und Kollegen auch beim "Heimspiel" in der gut gefüllten Arena Trier. Der TV präsentierte das Konzert.

Donnerstagnachmittag auf dem Hauptmarkt: Weihnachten ist schon weg, bevor es kam. Die Glühwein- und Glasbläser-Stände sind verschwunden, sieben Grad Celsius zeigt das Thermometer. Der Himmel erobert tropfenweise das Pflaster, Passanten schleppen ausgebeulte Plastiktüten von Laden zu Laden. Es könnte ein April-Tag sein, irgendwann jenseits der Rezession. Ist es aber nicht. Ein paar Stunden später ist Weihnachten in der Arena Trier angekommen. Die Vorfreude bekommt eine Bühne und einen bürgerlichen Namen: Thomas Schwab. Dessen "Christmas Moments" bringen die Schönheit vieler Weihnachts-Melodien zurück, die damals unterm Christbaum noch bedenkenlos von Bruders Blockflöte versteckt oder von Schwesters Geige zersägt werden durfte. Das Konzept hat sich der Bernkasteler Pianist Schwab 1998 so ausgedacht. Und da nun schon über 100 000 Zuschauer die Momente live erleben wollten, dürfte die Tradition auch im nächsten Jahr Bestand haben. Es weihnachtet sehr in der Arena. Ein Schneemann steht auf der Bühne, die Lichtanlage zaubert Flocken an den Bühnenhimmel. Die Sängerinnen Meike Anlauff, Tesz Millan und Simone Clemens - mit roten Ohrenwärmern - beschwören mit einem Weihnachts-Medley den Winter. Dazwischen springt der "Weihnachtsgeist" herum, ein Zwischendurch-Unterhalter mit einem aus Krawatten geschneiderten Kostüm und einem roten Plastik-Geweih auf der Glatze. Der soll lustig sein, nachdenklich, aufrüttelnd, albern, animierend. Das ist viel verlangt, auch von einem Weihnachtsgeist. Aber auch das ist Weihnachten: Viele wollen eben alles. Und alles furchtbar schlimm zu finden, ist immer das Einfachste. Sich begeistern zu lassen ist manchmal auch nicht schwer. Tausende Zuschauer erheben sich von ihren Sitzen, um gemeinsam mit David Moore "Amen" singen. Dabei bilden sie vermutlich den größten Gospel-Chor, den Trier je gehört hat. Bei den Sternstunden der "Christmas Moments" - den beiden Auftritten der 15-jährigen Liel - erhebt sich das Publikum und feiert die sichtlich gerührte Gastsängerin. Liel wird in ihrer Heimat Israel die "Stimme des Friedens" genannt. Sie singt vom "Jerusalem of Gold" und intoniert Schuberts "Ave Maria". Auch die drei Sängerinnen und drei Sänger aus Schwabs Ensemble dürfen ihre Stärken ausspielen. Neben vielen stillen Nächten, Rentieren und kommenden Kinderlein gibt es beim Drei-Stunden-Programm auch einige "jahreszeitlose" Stücke zu hören. "Sie sieht mich einfach nicht" (Guido Illigen als Xavier Naidoo) oder "Think Twice" (gesungen von Tesz Millan) bringen Funken in die Arena, und das nicht nur dank der vielen Wunderkerzen-Träger im Publikum. Die Version der Lennon-Hymne "Imagine" sollte man dagegen Yoko Ono lieber vorenthalten. Da springt Oktaven-Turner Moore ein paar Mariah-Carey-Gedächtnis-Pirouetten zu viel. Meist hilft "viel" ja auch viel. Die "Christmas Moments" setzen Weihnachten ins Übergröße-Format - eine Schlittenfahrt mit Rentier Rudolph durch die Länder, Musikstile und Erinnerungen. "Stille Nacht" trifft "Last Christmas", Gospel umarmt Musical, Pop küsst Poesie. "Tradition ist ein Bilderbuch in tausend Farben", sagt der Weihnachtsgeist. Wer dafür einen Sinn hat, erlebt einen sehr bunten Abend. Es ist der Sieg der großen Gefühle, bruchsicher in Watte verpackt - zu viel ist manchmal eben gerade genug. Im übertragenen Sinn: Wer ein Tannenbäumchen sucht, bekommt die kanadischen Nadelwälder gratis dazu. Wer kurz "Frohes Fest" wünschen wollte, geht mit der innigen Weltumarmung heim. Und wer Vorfreude will, kriegt "Christmas Moments". Die fetten Tage kündigen sich eben nicht in der Diät-Version an. Wenn der Rest vom Jahr schon magersüchtig daher kommt, ist das auch sehr gut so.

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