Unesco Dokumentenerbe – was nun?

Trier · Wer drei Tage in Trier verweilt, wird Mühe haben, all das zu sehen, was einmalig und außergewöhnlich ist. So viel gibt es davon! Und wenn, wie jetzt, mit dem Weltdokumentenerbe Ada Evangeliar noch ein Highlight hinzukommt, fragt man sich: Was nun? Wie soll man das angemessen würdigen?

Das Ada-Evangeliar liegt in der Schatzkammer der Stadtbibliothek Trier. Es bildet die Leithandschrift der Hofschule Karls des Großen. Die kostbaren Bilderhandschriften sind rund 1200 Jahre alt.

Das Ada-Evangeliar liegt in der Schatzkammer der Stadtbibliothek Trier. Es bildet die Leithandschrift der Hofschule Karls des Großen. Die kostbaren Bilderhandschriften sind rund 1200 Jahre alt.

Foto: dpa/Harald Tittel

„Ein Muss für: Mittelalterfans. UNESCO-Weltdokumentenerbe: 100%, Wow-Effekt: 90%.“ So wirbt die Trier Tourismus und Marketing GmbH (ttm) auf ihrer Homepage fürs brandneue Weltdokumentenerbe „Ada Evangeliar“ in der Trierer Schatzkammer. Und deren Direktor Francesco Roberg nennt die drei Vitrinen mit den Highlights des Hauses gar „die Unesco-Phalanx“. Links der Egbert-Codex aus dem 10. Jahrhundert, Weltdokumentenerbe seit 2003 als Teil der Handschriften des Klosters Reichenau, rechts das gerade im Mai aufgenommene Ada Evangeliar, entstanden um das Jahr 790 n.Chr., und in der Mitte dessen goldglänzender, mit funkelnden Edelsteinen besetzter Deckel.

Dass die karolingische Handschrift aus Freude über den Unesco-Titel gerade ausgestellt ist und Besucher anlockt, kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass dies keine Dauer-Schau werden kann. Dafür ist das kostbar bemalte Pergament viel zu empfindlich. Die Stadt als Eigentümerin hat die Pflicht, das Werk für die Menschheit zu erhalten, was ein permanentes Zeigen unter Licht verbietet. Und so wird sie überlegen, was sie statt eines Exponats sonst noch alles aus dem Titel machen kann. Der repräsentative Deckel aus dem Jahr 1499 beeindruckt schon allein.

Ideen fürs Erbe

Professor Joachim-Felix Leonhard, der Vorsitzende der Unesco-Nominierungskommission „Memory of the world“, nennt im Gespräch mit dem TV gleich ein ganzes Bündel von Ideen für den Umgang mit dem Welterbe. „Die Weltgemeinschaft erwartet ,conservation´“, sagt er, also „alles zu tun, damit das Original geschützt wird, um es an folgende Generationen weitergeben zu können.“ Eine weitere Aufgabe sei „access“, dass es also zugänglich gemacht wird. Das Werk solle dafür digitalisiert und über das Internet verbreitet werden. Dies sei „eine Verpflichtung“. Großes Potenzial sieht der Experte in der Zusammenarbeit mit örtlichen Universitäten, die die Auseinandersetzung mit dem Erbe fördern könne, etwa über die Vergabe von Dissertationen oder durch Kolloquien, sowie in der Bildung. Im hessischen Lorsch zum Beispiel könnten Kinder in Mönchskutten gekleidet auf historische Weise Farben herstellen, mit denen sie dann wie einst die Mönche Schriftstücke gestalten. „Da wird mit kindlicher Fantasie das Interesse fürs spätere Leben geweckt“, so Leonhard, der seit 1999 der Nominierungskommission vorsteht und dabei schon viele Patenschaften erlebt hat, die sich aus einem gemeinsamen Welterbe-Thema ergeben haben. Hauptsache, die Menschen beschäftigen sich heute mit ihrem Erbe und halten das Wissen um die alten Dokumente lebendig!

Wo die Uni aktiv ist

In Trier beschäftigen sich Dozenten und Studierende der Universität längst mit den Schätzen aus der Wissenschaftlichen Bibliothek, wo Stadt und Hochschule eine Kooperation eingegangen sind. Dort wurden etwa die Coronelli-Globen in 3D digitalisiert, die Stadttopographie Triers anhand historischer Fotoaufnahmen des Stadtarchivs rekonstruiert oder ein Schwerpunkt „Deutsch im Mittelalter“ gebildet, wo ausdrücklich die Schätze der Stadtbibliothek Trier in den Fokus gerückt werden. Gemeinsame Lehrveranstaltungen im Masterbereich bringen die Sammlung der Bibliothek auch zu einem breiteren Kreis von Studierenden. Und die Stadt beabsichtigt laut Kulturdezernent Markus Nöhl, das Netzwerk, das für den Unesco-Antrag geschaffen wurde, auch für eine weitere Zusammenarbeit zu nutzen, „ob in der Forschung oder in der Präsentation“. Schließlich verdanke man den Welterbe-Titel auch der wissenschaftlichen Vorarbeit des bisherigen Bibliotheksdirektors Michael Embach und dem Trierer Forschungsverbund. „Solche Anträge fallen ja nicht aus der Luft, sondern man braucht eine beforschte Ausgangslage zu dem Objekt“, so Nöhl.

Laut dem Unesco-Experten Leonhard war der länderübergreifende Antrag maßgebend für seinen Erfolg. Das Ada Evangeliar sei „die stilprägende Handschrift“ der karolingischen Hofschule, aber eben nur eine von einem knappen Dutzend. Für die Entscheidung der Unesco sei wesentlich, „dass auch das Typologische und das Aussagefähige eine Rolle spielt“. Deshalb werde auch bei der Aufnahme von Evangeliaren irgendwann Schluss sein.

Und der Viez?

Frage: Stehen angesichts von Äppelwoi und Cidre die Chancen schlecht, dass der Trierer Viez einmal „Immaterielles Kulturerbe“ wird? Über die Nominierung entscheide nicht er, erklärt Leonhard, sondern ein Expertenrat der Bundesregierung. „Man muss sich aber fragen: Was ist die Weltbedeutung?“ Die Unesco denke immer global.

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