Weltpremiere: Starpianist Kit Armstrong spielt am Sonntag sein erstes Orgelkonzert in der Konstantin-Basilika

Trier · Alfred Brendel hat den damals 16-Jährigen als „größte musikalische Begabung“ bezeichnet. Doch statt sich in den großen Hallen verheizen zu lassen, studierte Kit Armstrong Mathematik, gab Konzerte in kleinem Rahmen. Auch heute, mit 24, geht er extravagante Wege: In Trier gibt der Starpianist sein allererstes Orgelkonzert – am Sonntag in der Basilika.

 Beim Klavierkonzert kommt er fünf Minuten vor Beginn und legt los. Bei der Orgel probiert Kit Armstrong zehn Tage lang immer wieder aus, wie er sein Konzert spielen will. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Beim Klavierkonzert kommt er fünf Minuten vor Beginn und legt los. Bei der Orgel probiert Kit Armstrong zehn Tage lang immer wieder aus, wie er sein Konzert spielen will. TV-Foto: Mechthild Schneiders

Foto: Mechthild Schneiders

Porta Nigra, Dom. Wer zu Besuch in Trier ist, schaut sich die römischen Denkmäler an. Auch Kit Armstrong besucht die Welterbestätten, interessiert sich für ihre Entstehung. Im bunten Karohemd, roter Jeans und grauem Jackett, die froschgrüne Tasche über die Schulter gehängt, wirkt er wie ein Tourist, nicht wie ein weltweit gefragter Pianist.

"Ich will auch die Nero-Ausstellung besuchen", sagt er und lässt sich erklären, dass diese in insgesamt drei Museen, Landes-, Stadt- und Dommuseum zu sehen ist - mit verschiedenen Schwerpunkten. Er hört interessiert zu. Fragt, was Nero mit Trier zu tun habe. Und er, in den USA geborener Brite, studierter Mathematiker, kennt sich aus in Geschichte, weiß, dass Rom im Jahr 64 gebrannt hat. Und spricht akzentfrei Deutsch. "Es ist eine wichtige Sprache für die Musik." Vor allem, weil er sich sehr für die Vokalmusik interessiere. "Man kommt besser zurecht, wenn man den Text versteht."

Und natürlich hat Armstrong auch die kaiserliche Palastaula gesehen. Klar, die Konstantinbasilika ist ja zurzeit auch sein Arbeitsplatz. Genauer, der Spieltisch der großen Eule-Orgel. Jeden Abend nach 18 Uhr, wenn sich die Pforte der evangelischen Erlöserkirche fürs Publikum geschlossen hat, öffnet er die Türe der Sakristei und schlüpft durch den Eingang neben dem Altar.

Langsam geht er durch die riesige Halle. Ein schmächtiger junger Mann. Eher wie ein Teenager wirkend als ein 24-Jähriger. Fast verschwindet er hinter dem riesigen Tisch. Doch kaum berührt er die Tasten des Instruments, wird aus dem Jungen ein Genie.

Die Noten der Stücke, die er beim Orgelkonzert im Rahmen des Mosel Musikfestivals am Sonntag präsentieren möchte, hat er alle im Kopf. Papier, Stift, irgendwas zum Aufzeichnen oder gar ein Blick auf die Tasten - Fehlanzeige. Dieser Mann muss die Stücke nicht proben. Er hat sie längst parat - in seiner Vorstellung.

Der Pianist Armstrong sitzt nicht zum ersten Mal an einer Orgel - wenn auch noch nie an einer so großen. Er begleitete schon Sänger oder Orchester. Doch das Trierer am Sonntag, 7. August, um 17 Uhr in der Basilika ist sein erstes reines Konzert an der Königin der Instrumente. Dabei wird er vorbarocke Werke wie von Girolamo Frescobaldi an der kleinen Schuke- und romantische an der Eule-Orgel spielen. "Ich möchte zeigen, dass man auf dem Instrument eine große Bandbreite der Musik präsentieren kann."

Und so ist das neuste Stück vom ungarischen Komponisten György Ligeti (1923-2006), die "Musica Ricercata". "Da gibt es eine Querverbindung zu Frescobaldi", erklärt Armstrong. "Es sind Klavierstücke mit deutlich definierten Schichten. Sie sind geeignet für das Orgelspiel, weil man gleichzeitig verschiedene Klangwelten laufen lassen kann."
Die Orgel sei ein schwieriges Instrument, sagt er. "Wenn man eine Taste gedrückt hat, kann man den Ton - anders als beim Klavier - nicht mehr steuern." Für ein Pianokonzert könne er fünf Minuten vor dem Spiel in den Konzertsaal kommen und alles vor Ort gestalten. Anders bei der Orgel.

Der Grund, weshalb er sich bereits zehn Tage vor Konzertbeginn nach Trier und jeden dieser Abende in die Basilika begibt: "Ich programmiere die Register", sagt Armstrong. Alleine könne er diese während des Spielens nicht bedienen. Immerhin stehen 82 zur Verfügung plus fünf weitere im Pedal.

Einige Stücke hat Armstrong schon programmiert. Heute Abend steht Franz Liszts Fantasie und Fuge über den Choral "Ad nos, ad salutarem undam" auf dem Programm. Der Musiker bedient einige Kippschalter an der Orgel, spielt die ersten Takte auf den vier Manualen. Stoppt. Wiederholt Passagen, probiert verschiedenen Schalter aus, testet den Klang, verwirft die Auswahl, schaltet neue Register hinzu und andere weg, bis die Töne genau seiner Idee des Werks entsprechen.

"Ich habe im Kopf, wenn die Trompeten ertönen sollen - die sinfonische Eule-Orgel hat vier davon", erklärt er. "Das Registrieren ist fast wie Komponieren, wenn ich die Instrumentierung auswähle."

Die Idee für das besondere Konzert entstand 2015, bei Armstrongs viertem Klavier-Gastspiel in der Region. Damals gab er eine Zugabe auf der Orgel. In der Vorbereitung für Trier suchte er mit Festivalintendant Hermann Lewen ein Instrument aus: Die Wahl fiel auf die Eule-Orgel. "Sie ist hervorragend! Und ich finde den Raum besonders."

Ein Blick auf das Mobiltelefon in der grünen Tasche. 21 Uhr. Kit Armstrong schaltet die Orgel ab, schiebt sich von der Bank. Schnappt sich die Tasche, geht zur Sakristeitüre. Draußen blickt er sich um. Eine zierliche Frau sitzt gegenüber auf der Mauer. Sie blickt auf, lächelt. "Meine Mutter", stellt er sie vor, verabschiedet sich, hakt sich bei ihr ein, geht mit ihr in die City. Wie ein Touristenpaar. Kein Mensch käme auf die Idee, dass hier einer der gefragtesten Pianisten weltweit durch Trier schlendert.
Das Konzert von Kit Armstrong in der Konstantinbasilika ist am Sonntag, 7. August, 17 Uhr.

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