Weltstar in der Wohnküche

Lugano · "Du bist Musik für mich" hieß ein Titel von Caterina Valente. Der jungen Bundesrepublik war er auf den Leib geschrieben. Von den Aufbaujahren bis zum Mauerfall begleitete die Sängerin die Deutschen, stillte deren Bedürfnis nach Exotik und großer Welt.

Lugano. "Sicher singt Ella Fitzgerald jazziger ... Und sicher verkauft Marlene Dietrich ihre Chansons sinnlicher. Ohne Zweifel ist Shirley MacLaine die spaßigere Komödiantin. Und unbestritten ist Laurindo Almeida der bessere Gitarrist. Aber eine Frau, die auf all diesen Gebieten wirklich Spitzenklasse ist ... die müssen Sie mir auf dieser Welt noch einmal suchen."
So jubilierte Perry Como 1964 über eine Künstlerin, die Stammgast in seiner Fernsehshow war und tatsächlich all das und noch viel mehr konnte (etwa zwölf Sprachen, in denen sie zumindest nahezu akzentfrei sang). Ein Star in aller Welt, ein Weltstar: Caterina Valente, Zirkus-, Varieté- und Artistenkind - der Vater war ein berühmter Akkordeonvirtuose, die Mutter "Musicalclown".
Im Ausland mehr geschätzt


"In Deutschland hat man ihre Qualitäten vielleicht nicht so erkannt wie anderswo", sinnierte Alfred Brauner in Erinnerungen an eine Unterhaltungsschmonzette, in der Caterina Valente 1955 auftrat: "Liebe, Tanz und 1000 Schlager". Damit dürfte der Berliner Filmproduzent den Preis für die Untertreibung des Jahrzehnts abgeräumt haben. Während die Künstlerin von Amerika bis Japan als "Topact" gefeiert wurde, als Tänzerin und Jazzsängerin, die Billie Holiday und Ella Fitzgerald locker das Wasser reichen konnte, begnügten sich die Deutschen damit, den Weltstar in der Wohnküche zu empfangen.
Das, was man hierzulande in den Fünfziger Jahren als Gipfel der Unterhaltung ansah, waren musikalische Perlen wie "O Mama, o Mama, o Mamajo", "Tipitipitipso (beim Calypso wird dann alles wieder gut ...)", "Die Bim-Bam-Bim-Bam-Bina" oder "Itsy Bitsy Teenie Weenie Strandbikini".
Zugegeben: Jetzt haben wir aus der Liste von Valentes Opus wirklich ein paar der dämlichsten herausgepickt. Aber so was musste eine Künstlerin offenbar im Repertoire haben, um seinerzeit einen Platz in hiesigen Hitparadenlisten zu ergattern. Und die Valente sang das Zeug schmerzfrei, mit spielerischem Witz und einem kaum spürbar ironischen Unterton - verbunden mit einer souveränen Professionalität, die damals wie heute staunen macht.
Frauleinwunder in Amerika


"Ganz Paris träumt von der Liebe" war 1954 das Lied, das sie in den Erfolg katapultierte. Aus Cole Porters lässig dahinkomponiertem "I love Paris" machte der Orchesterleiter Kurt Edelhagen in seinem Arrangement zwar eine Krawallnummer mit explodierendem Blech und üppigem Streichersatz. Aber die Menschen liebten das Lied mit dem Text von Kurt Feltz so sehr, dass sie es zum größten deutschen Erfolg der Sängerin machten: 900 000 Mal ging die Schellackplatte über den Ladentisch.
Während Caterina Valente in Deutschland nie so recht zeigen konnte, was sie alles draufhatte, feierte man sie jenseits des Atlantiks als "Frauleinwunder" (durch ihre erste Ehe mit dem Jongleur Eric van Aro alias Gerd Scholz erwarb die am 14. Januar 1931 in Paris als Tochter italienischer Eltern Geborene die deutsche Staatsbürgerschaft). Amerika war durch ihre Interpretation von "Malagueña"(auf Deutsch!) und "The Breeze and I", beides Kompositionen des Kubaners Ernesto Lecuona, auf sie aufmerksam geworden und hievte "The Breeze" sofort auf Platz 8 der Hitparadenliste (in England erreichte sie damit sogar Rang 5).
Ritterschlag von Kollegen


Auch von Kollegenseite erfolgte sofort der Ritterschlag: Showbusiness-Ikonen wie Louis Armstrong, Bing Crosby, Dean Martin, Ella Fitzgerald, Sammy Davis jr. und Perry Como traten mit ihr auf oder luden sie in ihre Shows ein (Como gleich zwölf Mal). Damit war La Valente nach Marlene Dietrich die zweite Deutsche (und das nach dem Krieg!), die mit offenen Armen in den USA empfangen wurde - und im Gegensatz zur Dietrich sogar singen konnte!
Und das mit einer Stimme, die voluminös war wie die kaum einer ihrer Kolleginnen. Samtig war Valentes Sache dabei nicht; erotisch-verhaucht wie zur Begleitung von Chet Bakers Trompete hörte man sie eher selten. Dafür klang sie klar, silberscharf und bisweilen auch metallisch schneidend: das typische Valente-Timbre.
Dies hatte natürlich Vorteile, bewahrte es doch manchen Song davor, ins Gefühlvoll-Kitschige abzugleiten. Bei jeder anderen Sängerin wäre Harry Belafontes "Island in the Sun" wohl in einem Schmalzmeer versunken; bei Caterina Valente wird "Wo meine Sonne scheint " ein ganz unsentimentaler Sehnsuchtssong, der nichtsdestoweniger ans Herz geht.
Totaler Rückzug ins Private


Ein Star dieses Formats hat sich natürlich weder der deutsche Film noch das deutsche Fernsehen entgehen lassen. Ihr Werk fürs Kino ist, nun ja, Schwamm drüber. Aber ins Fernsehen brachte sie schon Ende der 1950er und vor allem in den 60ern mehr als einen Hauch von großer Welt - dank ihrer "Amerika-Connection" kamen auch die Stars von der anderen Seite des Atlantiks in ihre Shows. Die ARD begrüßte sie mit einer eigenen Sendung, "Bonsoir, Kathrin!" - das größte Kompliment, das man einem Star hierzulande machen konnte.
Die Kollegen aus Mainz ließen sich nicht lumpen und boten ihr wenige Jahre später ebenfalls eigene Abende an. Auf beiden öffentlich-rechtlichen Kanälen den Gastgeber zu spielen - das hatte nicht einmal Peter Alexander, der Deutschen liebster Sonnyboy, geschafft.
Caterina Valente lebt heute zurückgezogen in Lugano; ihr letzter Auftritt liegt gut zehn Jahre zurück, als sie im Jahr 2005 einen "Bambi" für ihr Lebenswerk erhielt. Auf ihrer Homepage schreibt die Sängerin im Hinblick auf ihren Geburtstag, zu dem ihre Bewunderer Fernsehspecials, Talkshows oder Interviews erwarten: "Was mich betrifft: Die Antwort ist ein klares Nein! Ich bin gesegnet mit einem glücklichen, fröhlichen Leben im Kreise meiner Familie. Mehr brauche ich nicht."

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