Wenn der Krieg ins Haus kommt

Trier/Frankfurt · Fast ein Jahrzehnt hat Vanessa Daun in Trier Theater gespielt. Zum Saisonende hat sie ihre Zelte an der Mosel abgebrochen, ist nach Frankfurt umgesiedelt, macht dort freie Produktionen - und kommt für die Uraufführung eines außergewöhnlichen Projekts nach Trier zurück. "Ich diene Deutschland", so heißt ihre erste Eigenproduktion.

Trier/Frankfurt. Was passiert mit Frauen, deren Männer in den Krieg ziehen? Was spielt sich ab in den Familien? Wie geht man um mit der Trennung, der Angst, den Zweifeln?
Fragen, die auf den ersten Blick etwas altmodisch wirken. Die meisten Deutschen haben sich seit 68 Jahren damit nicht mehr beschäftigen müssen, zum Glück. Aber für 100 000 Familien war eine solche Situation in den vergangenen zehn Jahren Realität: Eines ihrer Mitglieder, meist der Ehemann und Vater, war im Kriegseinsatz in Afghanistan. Oder ist es noch. 4000 deutsche Soldaten sind derzeit vor Ort.Schublade voll Ideen


Als Vanessa Daun nach fast einem Jahrzehnt in einem festen Theaterensemble beschloss, sich künftig eigenen Projekten zu widmen, hatte sie "eine ganze Schublade voll Ideen". Klar war nur: Sie wollte ihr erstes Stück gemeinsam mit Britta Benedetti umsetzen, die in den vergangenen Jahren als Regieassistentin am Theater Trier gearbeitet, aber auch bemerkenswerte eigene Arbeiten wie "Bartsch, Kindermörder" inszeniert hatte.
Das Thema der Soldatenfrauen faszinierte Schauspielerin wie Regisseurin gleichermaßen. Es hätten auch Soldatinnenmänner sein können, immerhin ist jeder 20. Bundeswehrsoldat in Afghanistan weiblich. Doch auf einen Internetaufruf hin meldeten sich ausschließlich Frauen - allerdings weit zahlreicher, als die Initiatorinnen erwartet hatten. "Da gab es ein richtiges Mitteilungs- und Austauschbedürfnis", erinnert sich Vanessa Daun.
Aber angesichts des sensiblen Themas war auch Vertrauensarbeit bei den Frauen im Alter von 20 bis 50 Jahren nötig. Immerhin spielen die Betroffenen eine große Rolle in dem Stück, das letztlich den Titel "Ich diene Deutschland" bekam - samt dem Zusatz "Das hast du doch gewusst".
Daun und Benedetti hatten sich früh für eine Art intermedialer Collage entschieden: Interview-ausschnitte von Betroffenen in einem Theatersetting, mit der Schauspielerin als verbindendem und kontrastierenden Element. Eine Bühne aus Stahlgerüsten und Flexibändern. Musik, Bewegung, Texte. Eine Wanderung zwischen Welten. Und der Versuch, eine kaum fassbare Situation mit den Mitteln des Theaters auszuleuchten.
Die Gespräche mit den Soldatenfrauen, die der Trierer Filmemacher Uwe Thein aufgenommen und bühnentauglich aufbereitet hat, haben Vanessa Daun sichtlich geprägt. Dabei kommt die Schauspielerin eher aus einem friedensbewegten Milieu. "Ich bin mit einer vorgefertigten Meinung auf Menschen getroffen, die anders waren als erwartet", sagt sie rückblickend. Sie sei auf "viel Nachdenklichkeit und hohe Wertmaßstäbe" gestoßen. Und auf tiefen Frust über die - so empfundene - mangelnde Wertschätzung in der Gesellschaft.
Dazu passt, dass es im Freundeskreis der Schauspielerin reichlich Skepsis gab, nachdem deutlich wurde, dass das Stück keine flammende Anklage gegen Militäreinsätze werden würde. Dabei will Vanessa Daun kein Heldenepos zeichnen, sondern nur "da genau hinschauen, wo zu wenig hingeschaut wird".Unterstützung von allen Seiten


Dabei scheint sie nicht nur das Vertrauen der Betroffenen gewonnen zu haben, von denen einige zur Premiere nach Trier kommen wollen. Sowohl der Bundeswehrverband als auch die grüne Heinrich-Böll-Stiftung unterstützen das Theaterprojekt, das 2014 auf Festivaltour durch Deutschland gehen soll. "Die Hilfe dieser beiden unterschiedlichen Organisationen trifft genau den Sinn unserer Idee", freut sich die Schauspielerin, die dieser Tage den letzten Schliff anbringt - bei den Schlussproben auf einem ehemaligen Militärgelände in Wiesbaden.
Für den Auftakt hat sie das Studio im Trierer Theater gemietet, wo sie mit "Gut gegen Nordwind" und "Alle sieben Wellen" ihre größten Erfolge feierte. Eine Art Heimspiel. Und für Trier die Chance, eine Uraufführung frei Haus geliefert zu bekommen.
Aufführungen am 12., 14., 29. und 30. November, Studio. Infos via Facebook, Suchwort "IDD-Ich diene Deutschland". Karten: Theaterkasse, Telefon 0651/7181818, www.theater-trier.de

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