Wenn die Maschine die Band ersetzt

Ein ganzes Orchester mit einer mechanischen Apparatur aus Musikinstrumenten zu simulieren, diesen Jugendtraum hat sich Pat Metheny nach über 30 Jahren Weltkarriere als Jazzgitarrist erfüllt. In Luxemburg stellte er das Experiment "Orchestrion" vor und weckte damit zwiespältige Gefühle.

 Pat Metheny inmitten seiner Musikmaschine. Foto: Philharmonie

Pat Metheny inmitten seiner Musikmaschine. Foto: Philharmonie

Luxemburg. Wer mit der Erwartung, den "typischen" Pat Metheny zu hören, ins Konzert nach Luxemburg gekommen ist, wird zu Beginn mit charakteristischen Solo-Stücken aus älteren Alben bedient. Metheny steigt dabei auf immer komplexere Klangkörper um und führt damit an sein neues Projekt "Orchestrion" heran. Denn plötzlich fällt ein Vorhang hinter ihm und eine gigantische Klang-Apparatur wird sichtbar. Trommeln, Becken, Schellen, Saiten- und andere Instrumente sind in einer Art Regalwand angeordnet. Davor stehen unter anderem Vibraphone, Orgelpfeifen und ein Flügel. Ein kollektives "Oh!" des Publikums quittiert den optischen Reiz der Installation. Dann setzt sich das Ganze mit geheimnisvollen Lichtblitzen in Bewegung und verblüfft auch akustisch. Der Raum ist angefüllt von brausenden Orchesterklängen mit komplexem Perkussionsteppich, zu denen Metheny auf der E-Gitarre improvisiert. Zu diesem Zeitpunkt ist man fasziniert von der scheinbar perfekten Orchesterillusion, der fürs Auge reizvollen Mechanik und natürlich der Frage: "Wie funktioniert das?", die Metheny bald mit einem von der Gitarre aus gesteuerten elektromagnetischen Mechanismus beantwortet. Doch bald fragt man sich: Was soll das Ganze eigentlich, ist das Arbeitsplatzrationierung für Musiker oder ein Omnipotenz-Beweis? Und nicht nur das: Es wird auch zu einem der Fallstricke, die die anfängliche Faszination so kippen lassen, dass schon etliche Besucher vor Ende des fast zweieinhalbstündigen Konzerts gehen. Totale Kontrolle und Steuerung durch eine Person mag genial sein, entbehrt aber der Lebendigkeit, Kreativität und Spontanität menschlicher Interaktion. Der Reiz der Apparatur nutzt sich schnell ab, sie vermittelt bald nur noch den Charme eines Uhrwerks - das gleicht auch Methenys virtuoses Gitarrenspiel nicht aus. Ganz das vom Tüftelspaß erfüllte "Kind im Manne" zieht er oft zu viele Register, das orchestrale Klanggeschehen wird zu laut und überladen. Zusammen mit Lichtprojektionen mündet das in ermüdende Reizüberflutung. Bei aller Hochachtung vor Experimentierfreudigkeit, Erfindergeist und technischer Leistung, die im Orchestrion stecken - weniger ist manchmal mehr.

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