Wenn es aus dem Stadtmuseum zwitschert

Trier · Etwa 100 Millionen Menschen nutzen täglich den Kurznachrichtendienst Twitter, darunter Stars wie Justin Bieber oder Politiker wie Barack Obama. Dass sich aber auch das klassische Kulturprogramm und neue Medien nicht ausschließen, zeigt die interaktive TweetUp-Führung des Trierer Stadtmuseums Simeonstift.

Trier. Ein großer, dunkler Raum mit hohen Decken. Bilder, Zitate, Gemälde und Skulpturen an den Wänden werden mit gedämpftem Licht angestrahlt. Einige Videoinstallationen erhellen den Raum etwas. Die Stille im Stadtmuseum Simeonstift wird von Dorothée Henschel, der Museumsführerin, gelegentlich durch geschichtliche Hintergründe zu den ausgestellten Exponaten durchbrochen. Eine klassische Führung durch die Sonderausstellung "Ikone Karl Marx". Nicht ganz.
Die Hälfte der Teilnehmer hält durchgehend ihr Mobiltelefon in der Hand. Sie schreiben Kurznachrichten und machen Fotos - sie twittern, wörtlich übersetzt "zwitschern". Was in Museen normalerweise als unhöflich gilt, ist in dieser besonderen Führung erwünscht: Eine TweetUp-Führung, die den Kurznachrichtendienst Twitter mit dem klassischen Kulturprogramm kombiniert. Das für die Region einzigartige Format, das im Trierer Stadtmuseum Premiere gefeiert hat, gehört in größeren Städten wie Berlin oder München zum Standardrepertoire einiger Museen. "Als wir vor einigen Monaten von den positiven Erfahrungen anderer Museen mit TweetUp-Führungen gelesen haben, haben wir uns entschlossen, das Format auch in Trier anzubieten", sagt Mitarbeiterin Kathrin Schug. "Wenn das Konzept angenommen wird, werden TweetUp-Führungen in kommende Ausstellungen als Ergänzung zum klassischen Führungsprogramm etabliert."

Öffentlich für alle


Während der Führung entsteht über den gemeinsamen Hashtag "#ikonemarx" vor Ort ein digitaler Dialog über das Gesehene. Die Teilnehmer berichten über ihre Eindrücke und teilen ihre Meinungen mit, äußern aber auch Kritik: "Karl Marx ist EINE Ikone der Arbeiterbewegung." "Leider zeitweise schlechter Empfang bei einigen Netzen." "Thematische Reduzierung auch im Konzept der Führung bzw. mehr Zeit für tweets notwendig."
Gerade dieses unmittelbare Feedback ist für das Stadtmuseum spannend. Während der Führung kommen 36 Tweets zusammen, darunter viele mit kommentierten Bildern der Ausstellungsstücke. Durch die Text- und Bildbeträge der Besucher können Menschen aus der ganzen Welt mit ihrem Computer oder vom Handy aus einen Einblick in die Ausstellung bekommen und sich direkt mit Kommentaren einschalten. So folgen Menschen aus Berlin, Trier und vom Niederrhein der interaktiven Führung.
"Diese neue Art der Museumsführung ist eine gute Idee. Das Konzept sollte aber in Zukunft noch aktiver auf Twitter ausgelegt werden", sagt Johannes Schölch-Mundorf aus Trier. TweetUp-Führungen sind ein Format für die Zukunft, das Kultur vor allem interaktiver gestaltet. Besonders junge Besucher will man auf diesem Weg zur Kultur hinführen.
Die nächste TweetUp-Führung bietet das Stadtmuseum Simeonstift im Rahmen der Trierer Museumsnacht am Samstag, 21. September, an.
Extra

Der Name Twitter stammt vom englischen Wort für zwitschern. Twitter bezeichnet man als Micro-Blogging-Dienst. Nutzer können kurze Nachrichten von maximal 140 Zeichen veröffentlichen. Als Kanäle stehen beispielsweise das Web und SMS zur Verfügung. Tweet nennt man neue Einträge eines Nutzers. Wer die Nachrichten eines anderen Nutzers abonniert, "folgt" ihm im Twitter-Jargon und ist ein Follower. "Tweet Ups" sind Veranstaltungen, zu der sich Menschen seit 2011 über Twitter verabreden. Über ein gemeinsames Stichwort erfolgt dann, beispielsweise in einer Führung, ein interaktiver Dialog zwischen realen und digitalen Teilnehmern. dpa/maba

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