Wenn Frauen Frauen inszenieren

TRIER. In vier Wochen öffnet sich der Vorhang für die 9. Antikenfestspiele. Zum ersten Mal laufen zwei Produktionen zeitlich parallel in den Kaiserthermen. Da werden die Proben, die dieser Tage begonnen haben, zur Millimeterarbeit.

 Sie prägen die Festspiele 2006: Bühnenbildner Manfred Breitenfellner und die Regisseurinnen Bettina Rehm (l.) und Kornelia Repschläger. Foto: Dieter Lintz

Sie prägen die Festspiele 2006: Bühnenbildner Manfred Breitenfellner und die Regisseurinnen Bettina Rehm (l.) und Kornelia Repschläger. Foto: Dieter Lintz

Die Kaiserthermen sind 50 Zentimeter hoch und aus Pappe. Jedenfalls die Kaiserthermen von Manfred Breitenfellner. Mit leichter Hand schiebt er notizblockgroße Bühnenelemente durch das Halbrund, jongliert mit Strichcode-Platten, schiebt Playmobil-Männchen über den Grund. Man braucht viel Fantasie, um sich vorzustellen, dass seine Mini-Modelle später als überlebensgroße Abbilder in den echten Kaiserthermen das Publikum faszinieren werden. Später, das heißt: in fast genau einem Monat. Am 17. Juni hat das Schauspiel "Medea" Premiere, am 25. Juni folgt dann die Oper "Ariadne auf Naxos". Und Breitenfellner soll das Kunststück fertig bringen, für zwei völlig unterschiedliche Aufführungen mit zwei völlig unterschiedlichen Regiekonzepten zwei Bühnenbilder zu erfinden, die so weit austauschbar sind, dass man in der Spielzeit täglich wechseln kann. Ach ja, und kosten soll es natürlich auch möglichst wenig. Wir sind ja in Trier. Aber das weiß Breitenfellner, schließlich hat er innerhalb von acht Jahren bei mehr als einem Dutzend Produktionen im Theater Trier nicht nur zwei Intendanten und etliche Regisseure (üb)erlebt, sondern ein übers andere Mal bewiesen, wie man mit minimalen Mitteln eine hochklassige Ausstattung hinkriegt. Aber diesmal könnte es noch schwieriger werden als sonst: Der charmante Wiener ist Diener zweier Herrinnen. Denn Intendant Gerhard Weber hat Frauen mit der Deutung der Frauenfiguren Medea und Ariadne betraut. Bettina Rehm kümmert sich um die Tragödie des Euripides, Kornelia Repschläger widmet sich der ernsten Komödie von Richard Strauss.Zwei völlig unterschiedliche Regie-Konzepte

Das ist aber auch der einzige rote Faden zwischen beiden Produktionen. Lauscht man den Ideen der Regisseurinnen, erwarten das Publikum zwei ästhetisch und gedanklich völlig unterschiedliche Auseinandersetzungen mit den antiken Stoffen. So will die open-air-erfahrene Kornelia Repschläger das doppelbödige Stück um die Konkurrenz zwischen einer überaus seriösen Opern-Produktion und einem knallbunten Comedy-Spektakel um die Gunst eines reichen Gönners auf zwei verschiedenen Schauplätzen ansiedeln. Wenn die Tragöden und die Komödianten anfangs um die Frage rangeln, wer denn die eigentliche Kunst repräsentiere, blickt das Publikum von hinten auf die Kulissen und sitzt hautnah am rückwärtigen Geschehen. Später, wenn der gemeine Mäzen beide Truppen dazu verdonnert hat, gemeinsam einen Mix von Oper und Harlekinade aufzuführen, öffnet sich der Bühnenraum im Innern der Thermen. "Ich will die Frage klären, wie weit Oper gehen darf, und was Musik überhaupt ausdrücken kann", skizziert Repschläger ihre Idee. Dabei versage sich "jedes aufgesetzte Regie-Konzept". Bettina Rehm sieht ihre Medea dagegen "radikal heutig". Eine allein erziehende Mutter, Ausländerin, von ihrem karrieregeilen Mann in der Fremde allein sitzen gelassen, tötet aus Rache und Verzweiflung die gemeinsamen Kinder. Kein Ausweg, keine Hilfe, keine Freunde, keine Kommunikation. "Das ist so modern wie nur irgendwas", sagt Rehm über das vor 2437 Jahren entstandene Drama. Die Regisseurin, deren Trierer Inszenierung von "Der Vogel ist ein Rabe" in bester Erinnerung ist, setzt konsequenterweise darauf, "die Konflikte scharfkantig zu machen". Dazu gehört, dass das Bühnenbild starke Kontraste zum antiken Ambiente bietet. Hinzu kommen durchkomponierte Arrangements des Komponisten Claas Willecke für die Chor-Texte sowie ein Percussionist, der Medea begleitet.Doppelte Arbeit, aber kein doppeltes Personal

Zwei derart unterschiedliche Produktionen in eine halbwegs kompatible Ausstattung zu bringen, wird in den nächsten Wochen ein harter Job sein. Zumal die Kaiserthermen sich auch außerhalb des Theatergeschehens als lärmige Baustelle präsentieren. Doppelte Proben, doppelte Bauten, doppelter Aufwand - aber natürlich kein doppeltes Personal. "Hoffentlich haben wir wenigstens gutes Wetter", seufzt Bettina Rehm. Sie ist zum ersten Mal bei den Antikenfestspielen. Karten: 0651/7181818. Infos: www.antikenfestspiele.de

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