Wenn Schönberg klingt wie Beethoven

Luxemburg · Wie reich an Farbwirkungen neue Musik sein kann, hat das "Ensemble Modern Orchestra" in der Luxemburger Philharmonie an Arnold Schönberg und drei aktuellen Zeitgenossen demonstriert.

Mit seinen 1909 geschriebenen Fünf Orchesterstücken op. 16 zerschlug Arnold Schönberg alle Maßstäbe abendländischer Musik. Das 1998 gegründete Ensemble Modern Orchestra unter Peter Eötvös serviert diese Musik mit einer Selbstverständlichkeit, mit der ein traditionelles Sinfonieorchester Beethoven spielt. Immer trifft der fast 100-köpfige Klangapparat den spezifischen Ton der Zeit kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs. So klingt aus dem zweiten Stück "Vergangenes" ein letztes wehmütiges Sich-Verzehren nach Romantik heraus, und im dritten Stück "Farben" reichen sich Debussy und Schönberg die Hand.

Was ist hundert Jahre später aus diesen Errungenschaften geworden? Drei Werke aus den Jahren 2009 und 2010 gewähren einen aufschlussreichen Einblick in aktuelle Schreibweisen zeitgenössischer Komponisten. Das Postludium des 1974 geborenen Franzosen Bruno Mantovani ist ein ungemein dramatisches, ja aggressives Stück. Eine Musik, die brachial mit der kompletten Blechfraktion einsetzt und am Ende im Nichts versandet. Die "Dithyrambes" des 1968 in Offenbach am Main geborenen Jens Joneleit beginnen mit punktuellen Klangereignissen, Verfremdungen und Geräuschen. Gegen Ende dann auf einmal Floskeln aus dem Freejazz, der musikalischen Heimat des Komponisten. So erleben die Zuhörer die Geburt von Musik aus Klang und Geräusch. Die Contrebande des 1974 in Innsbruck geborenen Johannes Maria Staud sucht dagegen bewusst Anschluss an bewährte musikalische Parameter. Eine ungemein brillante Partitur, die auch ebenso brillant zum Klingen gebracht wurde.

Den Abschluss des Abends bildeten Schönbergs Orchestervariationen op. 31. Das Ensemble Modern Orchestra erwies sich auch hier als perfekter Anwalt dieser Musik: Diese schwingt, schwelgt förmlich, kommt mal tänzerisch anmutig daher und dann wieder hart und grotesk.

Langanhaltender Jubel für eine Sternstunde der Neuen Musik, in der auch die anwesenden Komponisten Joneleit und Staud gebührend gefeiert wurden.

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