Wie der Griff in eine Wundertüte

Verliert ein Passagier sein Gepäck im Flugzeug oder am Flugsteig und holt es nicht ab, wird es eingelagert. Der Condor Flugdienst veranstaltet regelmäßig Auktionen dieser Gepäckstücke. Der Erlös geht an ein gemeinnütziges Projekt.

Es wirkt ein wenig wie in einem Ein-Euro-Laden. Die Lichter sind trübe, die Waren wild gestapelt und wirklich taufrisch ist kaum etwas. Trotzdem ist der Andrang groß, die Stadthalle der Flughafen-Anrainerstadt Langen mit weit mehr als 100 Besuchern gefüllt. Das Auktionshaus Wendt hat geladen und versteigert im Auftrag des Condor-Flugdienstes Fundsachen, die in der Kabine oder am Flugsteig von Passagieren vergessen, verloren oder einfach nicht mehr abgeholt wurden. Eine Weitergabe des gefundenen Gepäcks ist nach drei Monaten erlaubt. Die Lager der Abteilung Lost & Found von Condor sind etwa alle sechs Monate so prall gefüllt, dass Platz geschaffen werden muss. Die regelmäßigen Auktionen helfen dabei.
Es ist 12 Uhr Mittags an einem Freitag im Januar. Noch zwei Stunden sind es bis zum Auktionsbeginn. Die Bieter und potenziellen, zukünftigen Besitzer inspizieren das, was nachher unter den Hammer kommt. Und es gibt nichts, was es nicht gibt. Computer, Tablet-PCs, Smartphones, Ringe, Füllfederhalter, Schirme, Kinderwägen - die Bühne der Stadthalle reicht beileibe nicht aus, um alles unterzubringen. Vor allem die Trolleys, Bord-Koffer und Taschen türmen sich auf der Ausstellungsfläche. "Für uns sind diese Auktionen nicht nur die Chance, ein Schnäppchen zu machen, sie bereiten uns auch tolle Unterhaltung", sagt Gisela Heitmann, die mit ihrem Ehemann aus Offenbach herübergekommen ist. Sie hat sich auf die sogenannten Security-Items spezialisiert, also all das, was am Sicherheitscheck nicht durchgegangen ist. "Das sind vor allem Taschenmesser und Maniküresets, die mein Mann dann auf seinen Reisen nach Osteuropa mitnimmt und verschenkt", erzählt die Offenbacherin.
Lars Friedrich hat anderes im Sinn. Er will ein paar Bordkoffer ersteigern. Samt Inhalt. "Das ist immer wieder eine Riesenüberraschung, wenn man später den Koffer öffnet und auf die erstaunlichste Sachen stößt", sagt er. Denn vorher bleiben die Gepäckstücke geschlossen. Das sei wie der Griff in eine Wundertüte für ihn. Neben Wertvollem findet sich freilich immer wieder auch Anrüchiges im verlorengegangenen Gepäck. "Das kommt dann eben gleich in die Tonne", so der 23-jährige Student aus Landau in der Pfalz.
Vor Gefahren werden die Bieter allerdings geschützt. "Alle Gepäckstücke werden vor der Auktion von uns geöffnet und kontrolliert", erklärt Maren Wendt, die das Auktionshaus gemeinsam mit ihrer Mutter führt. Dabei werden Waffen, Chemikalien, Drogen, Bargeld oder anstößige Güter entnommen und anderweitig verwertet. Ohnehin nimmt man es mit der Intimsphäre genau. Alle elektronischen Geräte wie Handys oder Laptops werden auf ihre Funktionstüchtigkeit kontrolliert und anschließend alle Speicher gelöscht.
Bezahlen muss der Bieter neben seinem Gebot, das direkt an die Fluglinie geht, noch das Aufgeld in Höhe von 18 Prozent, welches das Auktionshaus einstreicht. Dazu kommen 3,42 Prozent Mehrwertsteuer für den Staat. Bei der Versteigerung in Langen hat Condor wie bei allen Auktionen dieser Art Gutes im Sinn. Der Erlös geht an das ConTribute-Projekt der Fluglinie, das damit ein Waisenhaus in Mombasa unterstützt. Im vergangenen Jahr konnten bei Auktionen so rund 15 000 Euro für den guten Zweck erlöst werden.
Wer nun Lust auf ein Schnäppchen oder eine Überraschung bekommen hat, findet den Auktionskalender mit Termin- und Ortsangaben der nächsten Veranstaltungen im Internet. np

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