Wie ein Märchen

Hillesheim · Nach zehn Tagen und 40 Veranstaltungen ging am Sonntag das Festival Tatort Eifel mit einer Lesung von Hannelore Elsner zu Ende. Die Schauspielerin las im Hotel Augustiner Kloster vor 150 Besuchern aus ihrer Autobiografie "Im Überschwang" - und das in recht ungewöhnlicher Diktion.

Wie ein Märchen
Foto: (g_kultur

Hillesheim. Schon bei der Tatort-Eifel-Gala am Vorabend machte Hannelore Elsner im Gespräch mit der Moderatorin Anna Planken einen etwas konfusen Eindruck. Auch bei ihrer Lesung in Hillesheim scheint die Schauspielerin zuweilen ein bisschen durcheinander.
"Danke für die freundlichen Worte", sagt sie zur Begrüßungsrede von Landrat Heinz-Peter Thiel, fügt jedoch hinzu: "Ich habe draußen nichts gehört." Dann hält sie, nachdem sie schon einige Minuten gelesen hat, überraschend inne. "Ich hoffe, das Mikro ist in Ordnung. Ich bin ein bisschen irritiert." Und schließlich beginnt sie den zweiten Teil ihrer anderhalbstündigen Lesung mit dem wenig aussagekräftigen Vorlesen von Kapitelüberschriften.
Hannelore Elsner gehört zu den größten deutschen Schauspielerinnen. Sie ist sich zwar nicht zu schade, auch in seichten Serien ("Das Traumschiff") und flachen Filmen ("Hanni und Nanni") mitzuwirken, doch überzeugt sie ebenso in Charakterrollen. Dafür wird sie geschätzt, gelobt und mit Preisen überschüttet. Nichtsdestoweniger muss Elsner immer wieder auch noch selbst auf ihre Vorzüge und Verdienste hinweisen.
Ihre Autobiografie versteht sie als Geschenk: "Es macht mir Freude, Ihnen ein bisschen was von mir zu schenken." Geht es auch eine Nummer kleiner? Leider nein. Über ihre Autorenrolle schreibt sie: "Ich bin die Erzählerin, ich bin die Analytikerin, ich bin die Psychologin, ich bin das kleine Kind, ich bin die weise Frau [...]" und über sich selbst: "Ich wollte die beste Geliebte sein, die beste Ehefrau, die beste Mutter, die beste Schauspielerin, die beste Versorgerin, alles auf einmal - und ich war es auch irgendwie."
Unbescheiden ist sie auch in ihrer Selbsteinschätzung als Darstellerin. "Um eine Rolle wie Hanna Flanders in ,Die Unberührbare' zu spielen, muss man so lange gelebt und gearbeitet haben wie ich." Auch wenn die vorgetragenen Auszüge nur Teile ihrer Kindheit und Erlebnisse aus den 90ern beschreiben, erfährt man darin viel über die Person. Vor allem, dass sie ein extrem sinnlicher Mensch ist, der bereits als Kind "Lustangst bei Gewitter" empfand, "merkwürdig erregende Filme" sah und ein schon fast sexuelles Verhältnis zu ihrem älteren Bruder hatte. Als dieser früh starb, ging diese "Liebesfähigkeit, dieser Liebesüberschwang" auf ihren Vater über.
Ihre Sensitiviät vermittelt Elsner aber nicht nur über den Text. Trotz anscheinend leichtem Schnupfen hat sie eine sehr gute, deutliche Aussprache. Ihre Autobiografie trägt sie jedoch vor wie ein Märchen.
Aber genauso scheint Elsner ihr Leben auch zu empfinden. Für sie war ihr Vater der "schönste Mann der Welt", die Oma backte den besten Apfelstrudl und Dani Levys Drehbuch zu "Alles auf Zucker!" war "ein Wunder".
Aus ihrer ausgeprägten Begeisterungsfähigkeit, aber auch aus dem genauen Gegenteil macht sie keinen Hehl. "Ich bin eine echte Melancholikerin. Wirklich himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt." Wann sie zu dieser Erkenntnis kam, erfährt man nicht. Vermutlich recht spät. "Man kann viel lernen in der Jugend, auch in der Mittelzeit, aber wirklich begreifen kann man vieles erst später." Wie die 73-Jährige mit dem Älterwerden - ein beliebtes Thema bei Journalisten - umgeht, kann man an der Zitatfortsetzung erkennen. "Ich sage bewusst nicht das Wort Alter, sondern einfach später." Am Samstag, 26. September, 20 Uhr, liest Hannelore Elsner noch einmal aus ihrer Autobiografie vor, diesmal im Trifolion im luxemburgischen Echternach. Karten gibt es im TV-Service-Center in Trier.

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