Wie im Entwicklungsroman: Konzert mit Marina Baranova

Trier · So souverän hört man die Händel-Variationen von Johannes Brahms selten. Mit diesem Werk krönte Marina Baranova vor 60 begeisterten Besuchern ihren Auftritt im Trierer Kurfürstlichen Palais. Veranstalter des Konzerts war die Landesstiftung "Villa Musica".

Trier. Deutscher und französischer Barock, Wiener Klassik, französischer Impressionismus und zum Ende deutsche Romantik: Das Programm, das Marina Baranova im Trierer Kurfürstlichen Palais spielte, kam ohne die an Klavierabenden üblichen Schemata aus und war doch alles andere als beliebig, im Gegenteil: An diesem Programm entwickelte eine junge Pianistin überzeugend ihr künstlerisches Profil.
Selbstverständlich lassen sich da und dort Fragezeichen setzen - klang in Mozarts a-Moll-Rondo KV 511 zu viel Chopin-Melancholie mit? Geriet das Menuett in Debussys "Suite bergamasque" vielleicht zu eckig, zu wenig ausschwingend? Aber Detailkritik verstellt diesmal die Einsicht ins Ganze. Bei Händel und Couperin, bei Debussy, Mozart und Brahms entfaltete die junge ukrainische Pianistin Schritt für Schritt ihre starke Künstlerpersönlichkeit - wie ein musikalischer Entwicklungsroman im Zeitraffer. Händels deutscher Klavierstil bleibt zu Beginn noch distanziert und beinahe akademisch. Spätestens bei François Couperins frei und beinahe schwerelos musizierten Cembalokompositionen indes überzeugt Baranovas Gestaltungsintelligenz.
Und der Höhepunkt mit den Händel-Variationen von Johannes Brahms: Ja, die Pianistin ignorierte souverän die Ruhepunkte, die Fermaten, die der Komponist in unregelmäßigen Abständen, aber durchaus nicht zufällig setzt. Aber was zunächst wie Mangel erschien, war künstlerisches Konzept. Baranova gab der Variationenfolge eine überwältigend stringente Entwicklung mit - ein bruchloser Prozess vom barock-verzierungsreichen Thema über 25 höchst unterschiedliche Stationen bis zur Beethoven-nahen Fuge. mö
Weitere Konzerte der Villa Musica in der Region: 18. Mai, 11 Uhr, Stefan-Andres-Gymnasium Schweich: "Ein Cello erzählt", 23. Mai, 20 Uhr, Kurfürstliches Palais: SWR-Barockkonzert.

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