Wie laut klingt der Himalaya?

LUXEMBURG. Ausstellungen, Konzerte, Filme: Noch nie sind in der Region Optik und Akustik in der Kunst so differenziert in Beziehung gesetzt worden wie im kleinen Festival "musique/visuelle" der Luxemburger Philharmonie. Die Veranstaltungsreihe offenbarte allerdings auch Defizite.

Es rauscht, knistert, kratzt, klappert und knallt. Mitten auf dem Podium stehen die unterschiedlichsten Geräusch- und Tonerzeuger: Gitarren, Tonband, eine Schallplatte mit Endlos-Rille, in der ein Tonarm läuft, ohne je zum Ziel zu kommen. Etliche Installationen bewegen sich wie von Zauberhand und pendeln wieder aus. Dazu Klänge unterschiedlichster Natur, vielfach Alltagsgeräusche. Ein Nachruf auf die Maschinenwelt

Der Luxemburger Künstler Fränk Zimmer hat mit der Klanginstallation "Phantom Orchestra" im Kammermusiksaal der Luxemburger Philharmonie einen absurden Klangkörper hingestellt, der gleich mehrere Assoziationen beschwört: ein Nachruf auf die Maschinenwelt der "Modern Times", ein nostalgischer Rückblick auf die Epoche, in der Alchemie und Zauberkabinett noch das Gruseln lehren konnten. Und zugleich der Versuch, Sehen und Hören künstlerisch in Verbindung zu bringen. Die Suche nach einer optisch-akustischen Einheit war Leitmotiv im kleinen Festival "musique/visuelle", das am Wochenende in der Philharmonie zu Ende ging. Im Foyer und im Aufgang vom Parkhaus demonstrierten Künstler in einer von Carsten Seiffahrt konzipierten Ausstellung "Klangkunst" eine Vielzahl Ideen. Wolfgang Mitterers "zeit vergeht .." für Orgel und Elektronik vermittelte im Großen Saal des Konzerthauses eine neue, akustische Erfahrung der Raum-Architektur. Im "Interactive Field" von Martin Riches reagiert ein Feld von hochkant aufgestellten Rechtecken auf die Geräusche, die vom Besucher ausgehen. Jens Brand setzt in "g-tunes online store & G-Pod" Satellitenbilder von Erdformationen in Klänge um - eine tönende Geografie, in der Hochgebirge wie der Himalaya durch Lautstärke und Dichte der Klangerscheinungen hervorstechen. Fritz Langs Stummfilm-Klassiker "Metropolis" mit der Filmmusik von Martin Matalon, eine Veranstaltung "Klangapparate im Konzert", ein Schülerprojekt, eine "Quintessenz 1.0" mit dem Berliner "Medienkollektiv Rechenzentrum" und einer audio-visuelle Hardware - "musique/visuelle" spürte den unterschiedlichen Ansätzen nach, mit denen Künstler Brücken schlagen wollen zwischen der flexiblen, zielgerichteten Aktivität des Auges und der tiefgründigen, archaischen Passivität des Ohrs.Spärliche Verbindungen zwischen Musik und Film

Gelang der Brückenschlag? Verbanden sich beide Sinnes-Dimensionen zu einer höheren Einheit? An der "Langen Nacht des Musikvideos" zeigte sich exemplarisch, wie weit Kunst und Musik davon entfernt sind. Die meist abstrakten Bild-Formationen und die überwiegend rhythmisch orientierten Klänge laufen allzu häufig nur neben einander her, ohne sich durch Analogie oder Gegensatz aufeinander zu beziehen. Für musikalische Formbildungen mit ihren Fortspinnungen, Entwicklungen und Reprisen-Effekten gibt es offenbar derzeit keine optischen Entsprechungen. Alexander Skriabins Idee vom Farbenklavier und sogar die Assoziationen zwischen Szenerie und Orchesterklang bei Wagner werden von den modernen Künsten nicht realisiert. So demonstrierte "musique/visuelle" nicht nur die erstaunliche Bandbreite von ästhetischen Perspektiven, sondern offenbarte auch Defizite in den aktuellen Kunstgattungen. Einen Film gibt es im Internet unter www.volksfreund.de

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