Wie Perlen an einer endlosen Schnur

Trier · Ein angehender Weltstar im lauschigen Ambiente des Klosters Machern: Dieser Coup gelang dem Mosel Musikfestival am Wochenende einmal mehr. Das Publikum bettete den Countertenor Valer Sabadus und sein Ensemble Lyriarte von der ersten bis zur letzten Arie in Ovationen.

 Herzlicher Dank für herzlichen Beifall: Zwischen Countertenor Valer Sabadus (inmitten des Ensembles Lyriarte) und dem Publikum im Kloster Machern entwickelte sich bei „Händel im Taschenformat" eine Liebesgeschichte. TV-Foto: Artur Feller

Herzlicher Dank für herzlichen Beifall: Zwischen Countertenor Valer Sabadus (inmitten des Ensembles Lyriarte) und dem Publikum im Kloster Machern entwickelte sich bei „Händel im Taschenformat" eine Liebesgeschichte. TV-Foto: Artur Feller

Trier. Countertenöre, also Männer, die in einer Frauen-Stimmlage singen, sind derzeit schwer en vogue. Und doch gibt es immer noch diesen kollektiven Moment des Atemanhaltens, wenn der erste hohe Ton aus der Kehle eines gestandenen Mannsbilds erklingt. Bei den Kennern im Publikum breitet sich ein wohliger Schauer aus, Novizen brauchen ein paar Sekunden, um die sich öffnende Bild-Ton-Schere zu verarbeiten.
Weicher und samtiger Tonansatz


Der Effekt steigert sich noch, wenn der Tonansatz so unglaublich weich und samtig ist wie bei Valer Sabadus. Einen Klang gleichsam aus dem Nichts herauszuzaubern, ihn anschwellen zu lassen und wieder zurückzunehmen, damit zu spielen wie mit einem Jo-Jo, emotionale Gebäude zu gestalten wie ein Architekt: Das ist schon ganz große Kunst, die Valer Sabadus da zelebriert.
Dabei steht er auf der Bühne wie ein schlaksiger Junge mit offenem, kunstvoll schief gebügelten Hemdkragen, der kaum weiß, wohin er seine langen Arme tun soll. Anfangs wirkt er fast verlegen, hält sich bei den Händel-Hits "Ombra mai fu" und "Cara sposa" zurück, konzentriert sich ganz auf den Gesang.
Erst gegen Ende des ersten Teils löst er den barocken Tempomaten, bei der Wut-Rede des Xerxes, wo er Augen und Stimme gleichermaßen blitzen lässt - und das begeisterte Publikum einen Moment lang ahnt, was dieser 27-Jährige auch als weltweit gefragter Darsteller zu leisten imstande ist.
Höhepunkt des Abends unter dem Motto "Händel im Taschenformat" ist erstaunlicherweise kein Händel, sondern ein Arien-Paket seines ärgsten Konkurrenten Nicola Porpora. Da zeigt sich aufs Prächtigste Sabadus\' Fähigkeit zur gesanglichen Modellierung, wenn er Töne aneinanderreiht wie Perlen an einer endlosen Schnur, wenn er Gefühle mäandern lässt wie die sanften Bögen der gerade mal sportplatzlängenweit entfernten Mosel.
Enorme emotionale Tiefe


Zugegeben: Eine weitere Xerxes-Arie, mit der er das offizielle Programm beschließt, zeigt das spektakulärere Feuerwerk - aber das kann eine Spitzen-Mezzosopranistin auch. Die komplette emotionale Tiefe der Porpora-Arien kann aber wohl nur ein Countertenor ausloten.
Das sechsköpfige Ensemble Lyriarte um die vorzüglichen Geiger Rüdiger Lotter und Florian Deuter und die Cembalistin Olga Watts umrahmt die Höhenflüge von Sabadus mit exzellent und im Wortsinn beherzt dargebotenen Auszügen aus Händel-Sonaten. Bei den Arien-Begleitungen muss man sich an das schmale Klangbild gewöhnen, zumal anfangs zu laut gespielt wird. Aber Solist und Ensemble finden sich im Laufe des Abends zu immer intensiverer Gemeinsamkeit, die in der als Zugabe wiederholten Porpora-Arie "Alto giove" gipfelt.
Am Ende rückhaltloser Jubel, der zum Glück auch ein in den Liederpausen durchaus störendes Dauergeräusch (aus der Belüftungsanlage?) übertönt. Da ist im ansonsten perfekten Ambiente des Klosters Machern Nachbesserung angesagt.

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