Wiedergelesen - Lieblingsbücher: Die Zeitalter der Fische

"Was wird das für eine Generation? Eine harte oder nur eine rohe?", fragt sich der Protagonist des Romans "Jugend ohne Gott", während er seine Schüler beobachtet, die zu fünft einen anderen angreifen. Sie sind feige, hinterhältig.

Und die Frage stellte sich der österreichische Schriftsteller und Dramatiker Ödön von Horváth selbst. 1937 geschrieben, erzählt der Roman von der damaligen Jugend, von Schülern, die vergessen haben, eine Seele zu haben. Anhand der Handlung eines Krimis kritisiert Horváth die Stimmung seiner Zeit, in der der Mangel an Empathie und die Gefühllosigkeit den Aufstieg totalitärer Regierungen ermöglichten. Der Protagonist ist Lehrer und erlebt jeden Tag, wie der Verfall des Geistes und die Unterwerfung zunehmen: "Der Name auf einem Kriegerdenkmal ist der Traum ihrer Pubertät." Eine Kluft zwischen den Generationen entsteht: Auf einer Seite ist die ältere Generation, die noch fähig ist, für Ideale zu kämpfen. Auf der anderen sind die Jugendlichen, die reaktionär sind und alles, was anders ist, ablehnen, "alles Denken ist ihnen verhasst." Die Jugendlichen vertreten im Roman den neuen Zeitgeist, eine kalte Zeit, das "Zeitalter der Fische", wo die Seele unbeweglich wie das Antlitz der Fische sein werde, weil die Menschen keine Gefühle mehr haben werden. Diese Metapher ist Leitmotiv des Romans und auch Schlüssel zur Lösung der Krimihandlung, die mit der gesellschaftlichen Kritik verknüpft ist. Schüler N wird während eines Zeltlagers getötet. Die Suche nach dem Mörder beschäftigt den Lehrer und führt ihn dazu, sich tatsächlich aus den Zwängen des Regimes zu befreien. Horváth leistet in diesem kurzen Roman sehr viel gleichzeitig und verliert sich nicht. Er erzählt stringent, in kurzen, einprägenden Sätzen. Horváth schreibt über den Nationalsozialismus, doch das Werk hat an Aktualität nichts verloren. Es dreht sich um Gewalt, um Machtstrukturen in der Schule wie auch um Gruppenzwang - und dies so unaufdringlich in dieser schmalen Lektüre. Barbara Cunietti Ödön von Horváth: "Jugend ohne Gott", ,Suhrkamp, 148 Seiten, 5 Euro

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