Wiedergelesen - Lieblingsbücher

"Der Flattersatz - oder besser: der fliegende Satz - ist frei und gehört nicht allein den Dichtern", schreibt Christoph Ransmayr im Vorwort zu seinem Roman "Der fliegende Berg" und verweist darauf, dass dieses Stilelement einen Text nicht automatisch zu einem Gedicht macht. Ransmayr erzählt von zwei irischen Brüdern, die in den Gebirgen von Tibet nach einem vermeintlich noch weißen Fleck auf der Landkarte suchen: "nach jenem makellos weißen Fleck, / in den wir dann ein Bild unserer Tagträume / einschreiben können".

Es ist eine Geschichte über die elementarsten und zugleich unfassbarsten Dinge des Lebens: über das manchmal wahnhafte Streben nach Erkenntnis. Über die Schönheit, aber auch die unbezwingbare Macht der Natur. Über die Liebe, die es dem Menschen erlaubt, sich selbst zu finden und sich angekommen zu fühlen. Und über den Verlust, über den Tod: Liam, einer der beiden Brüder, stirbt beim Abstieg nach der Gipfelerstürmung des Phu-Ri - des fliegenden Berges -, wie der Leser direkt zu Beginn erfährt. Vom anfangs ungewohnten Flattersatz darf der Leser sich nicht abschrecken lassen. Er liest sich wie ein Fließtext und schnell stellt sich ein die intensive Sprache noch unterstreichender Leserhythmus ein. Es sind die auf den Punkt genauen und immer poetischen Formulierungen, die einem passagenweise den Atem nehmen und die Augen öffnen für neue, ungewohnte Welten: "Vielleicht ist jenes Bedürfnis / tatsächlich unstillbar, / das uns selbst in enzyklopädisch gesicherten Gebieten / nach dem Unbekannten, Unbetretenen, / von Spuren und Namen noch Unversehrten suchen läßt (...)." Ariane Arndt Christoph Ransmayr: Der fliegende Berg, 368 Seiten, Fischer Taschenbuch Verlag, 9,95 Euro Diese und weitere TV-Kolumnen finden Sie auch im Internet auf www.volksfreund.de/kolumne

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