Wiedergelesen - Lieblingsbücher

Der zwölfjährige Oskar lebt Anfang der 80er Jahre im schwedischen Blackeberg, einem aus tristen Wohnblöcken zusammengesetzten Vorort Stockholms. Alles dort scheint irgendwie trostlos, die Bewohner wirken aller Hoffnungen und Perspektiven beraubt.

Auch Oskar hat wenig zu lachen. Von seinen frustrierten Mitschülern wird er fast täglich drangsaliert und flüchtet sich deshalb in Rachephantasien. Alles ändert sich, als ein Mörder in der Nachbarschaft zuschlägt, der sein jugendliches Opfer ausbluten lässt. Zeitgleich ziehen ein älterer Herr und ein merkwürdiges blasses Mädchen in Oskars Nachbarwohnung ein. Eli riecht etwas muffig, trägt niemals Schuhe und zeigt sich nur am Abend. Oskar trifft sie immer häufiger, zwischen den beiden entwickelt sich eine zarte Freundschaft. Doch bald merkt er, dass mit Eli etwas nicht stimmt. Sie ist ein Vampir, etwa 200 Jahre alt. Ihr Begleiter besorgt ihr durch seine Morde das überlebenswichtige Blut. Oh Gott, nicht noch so eine Teenie-Vampirgeschichte - wird jetzt wohl manch einer denken. Aber John Ajvide Lindquists Debütroman geht weit darüber hinaus. Er bedient sich zwar gängiger Horrormotive - was er daraus macht, ist was völlig Neues, fernab von jeder Twilight-Glitzerwelt. Wer Horror liebt, für den mögen einige sehr explizite Szenen reizvoll sein. Kern der Geschichte ist aber die sonderbare Verbindung zwischen Eli und Oskar, der ständig hin- und hergerissen bleibt zwischen Angst und tiefer Zuneigung, zwischen Mitleid für Elis Opfer und dem Drang, sie vor der Entdeckung zu bewahren. Mit viel Gespür für Stimmungen und Gefühlswelt seiner Protagonisten schafft es Lindquist, dass diese Geschichte berührt, ohne jemals kitschig zu sein. Zudem provoziert er eine kritische Auseinandersetzung mit der Gesellschaft, die er zeigt. Der Leser fragt sich unweigerlich, wer mehr zu bedauern ist: Die Menschen, die sich mit Gewalt und Alkohol ihr Leben selbst zur Hölle machen. Oder der Vampir, der durch seinen Blutdurst zum ewigen Außenseitertum verdammt ist. Eine spannende, intensive Geschichte, die einem noch lange im Kopf herumspukt! Christa Weber John Ajvide Lindquist "So finster die Nacht", 2007, Bastei Lübbe, 637 Seiten, 8,99 Euro Diese und weitere TV-Kolumnen finden Sie online auf <%LINK auto="true" href="http://www.volksfreund.de/kolumne" class="more" text="www.volksfreund.de/kolumne"%>

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