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Es grenzt an ein Wunder, dass "Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert" überhaupt im Buchladen erhältlich ist. Denn wie Autor Joël Dicker die Verleger in seinem Werk charakterisiert, ist alles andere als schmeichelhaft: geldgierig und herzlos.

Nun fand Dicker einen - offenbar ziemlich uneitlen - Verleger, glücklicherweise. Es wäre nämlich schade, wenn dieses Manuskript für immer im Schreibtisch des Autors verschwunden wäre. Dicker verwebt bittersüße Liebes- mit Kriminalgeschichte und lässt seine Protagonisten zudem von der Leidenschaft fürs Schreiben - samt Rausch und Blockade - erzählen. Immer wieder überraschend, manchmal ein wenig überspitzt. Hauptfigur ist der hoch angesehene Schriftsteller Harry Quebert, der mit "Der Ursprung des Übels" einst einen Bestseller landete und seitdem zu den ganz Großen des Landes gehört. Das ändert sich, als auf seinem Anwesen die Leiche der seit 33 Jahren vermissten Nola Kellergan gefunden wird - mit ihr begraben wurde das Originalmanuskript des Romans, der Quebert zum Erfolg verhalf. Ab diesem Zeitpunkt ist Leugnen zwecklos: Quebert gibt zu, mit der damals 15-Jährigen eine Affäre gehabt zu haben. Der Gefeierte wird zum Geächteten, denn für (fast) alle ist klar: Der Schriftsteller hat das Mädchen damals aus dem Weg geräumt. Einzig Queberts Schützling, Marcus Goldman, hält zu seinem des Mordes angeklagten Vorbild. Er reist nach Aurora, um die Wahrheit herauszufinden. Über Nola, ihren Tod - und die Wahrheit über den Fall Harry Quebert. "Schriftsteller sind so zerbrechliche Wesen", gibt Quebert seinem Schützling mit auf den Weg. "Weil sie zwei Arten von Seelenqual kennen, also doppelt so viele wie normale Menschen: den Liebeskummer und den ,Bücherkummer‘. Ein Buch zu schreiben ist, wie jemanden zu lieben: Es kann sehr wehtun." Nach der Lektüre dieses Buches mag man es gerne glauben. Rebecca Schaal Joël Dicker: "Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert", Piper, 736 Seiten, 22,99 Euro. Diese und weitere TV-Kolumnen finden Sie auch im Internet auf www.volksfreund.de/kolumne

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