Wiedervereinigung, herangezoomt

Völklingen · 41 Jahre und 132 Tage lang war Deutschland geteilt. Die vier Jahrzehnte des Kalten Krieges hat der Fotograf Helmut R. Schulze dokumentiert. Darüber hinaus war er in den entscheidenden Momenten der Wiedervereinigung dabei. Seine Bilder zeigen den Weg zur Einheit aus nächster Nähe.

Völklingen. Bundeskanzler Helmut Schmidt steht am offenen Abteilfenster, auf dem Kopf die obligatorische Prinz-Heinrich-Mütze. Draußen auf dem Bahnsteig von Güstrow tritt der DDR-Staatsratsvorsitzende Erich Honecker - große Hornbrille, russische Pelzmütze - mit ausgestrecktem Arm ans Abteilfenster: "Herr Schmidt, ich habe noch ein Bonbon!", ruft er dem Staatsgast zu, wie dem Begleittext zu der Fotografie von 1981 zu entnehmen ist.
Eine Anekdote nur, aber auch ein Blick auf die tragisch-absurde Realität der deutsch-deutschen Geschichte. 40 Bilder des renommierten Fotojournalisten Helmut R. Schulze erinnern ab diesem Sonntag im Weltkulturerbe Völklinger Hütte an "25 Jahre Deutsche Wiedervereinigung", so der Titel der Schau. 40 Bilder, die Geschichten ebenso wie Geschichte erzählen. Und einmal mehr erweist sich das karge Ambiente der Möllerhalle mit ihren zahlreichen Wanddurchbrüchen und langen Fluchten als glücklicher Ort für eine Fotoschau. Vor der auf bröckelnden Stahlbeton reduzierten Kulisse entfalten Fotografien ihre ganze Wirkmacht.
Ausgehend von der Hoch-Zeit des Kalten Krieges folgen die Bilder der historischen Chronologie bis zum Mauerfall 1989 und dem Abzug der ehemaligen deutschen Besatzungsmächte 1994. Die Aufnahmen zeugen von der Nähe des Fotojournalisten Schulze zu Politikern wie Außenminister Hans-Dietrich Genscher oder Bundespräsident Richard von Weizsäcker. Als Vorteil erweist sich diese Nähe erst recht, wenn Schulze erzählt, wie manche Aufnahme zustande kam.
Wie er etwa von Weizsäcker im Juni 1989 spontan vorschlägt, vom Schloss Bellevue zur Mauer ans Brandenburger Tor zu gehen - und dieser sofort einwilligt. Allein steht der Bundespräsident dann auf der Aussichtsplattform vor der Mauer, die Arme auf das Eisengeländer gestützt, der Blick nachdenklich bis skeptisch auf den abgeriegelten Ostteil Berlins gerichtet. Bilder wie diese erzählen anschaulicher über Geschichte als manches Buch.
Gut vier Monate nach dieser Aufnahme fällt die Mauer. "In der heutigen Zeit, die von einer Inflation der Bilder und Nachrichten geprägt ist, geht es darum, gegen das Vergessen anzugehen. Dazu sollen diese Fotos beitragen", sagt Schulze. Und das gelingt ihnen.
"25 Jahre Deutsche Wiedervereinigung", Weltkulturerbe Völklinger Hütte, vom 13. April bis 9. November, täglich von 10 bis 19 Uhr, Eintritt 12 Euro (ermäßigt 10 Euro). Ausstellungskatalog: 14,50 Euro.

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