Willkommen im Reich der Toten

Wussten Sie, dass Maden, die aus Eiern in einer menschlichen Leiche schlüpfen, immer gen Süden kriechen? Dann sind Sie vielleicht Forensiker - oder kennen die Thriller des britischen Autors Simon Beckett. Er ist beim Eifel-Literatur-Festival in Monschau aufgetreten.

Monschau. Maden, die sich ihren Weg durch verfaultes Fleisch bahnen. Ledrige Hautfetzen, die wie schlecht sitzende Kleidung auf den Überresten von Körpern liegen. Der unvergleichliche Gestank von Verwesung. Bei dem Gedanken an das, was David Hunter, Protagonist der Thriller von Simon Beckett, bei seiner Arbeit erlebt, läuft dem Publikum in der Aula des Monschauer St.-Michael-Gymnasiums ein Schauer über den Rücken.

Doch dass der Bestseller-Autor tatsächlich in Monschau über Mord und Verwesung sprechen und aus seinen Büchern vorlesen würde, war eine gewisse Zeit unklar. So sei der Flug, den der Literat von Manchester aus nehme wollte, ausgefallen. "Lange Zeit hatten wir sogar Angst, dass die Lesung ausfallen müsste", sagte Josef Zierden, Organisator des Literatur events. Doch gerade rechtzeitig zu Beginn der Veranstaltung bahnt sich der drahtige Brite mit seinem Übersetzer Andree Hesse den Weg durch das Publikum.

Und das, was die beiden Männer mit klarer, heller Stimme vorlesen, ist schaurig, eklig - und doch hängen die Zuhörer den Autoren an den Lippen. Seine Jünger sind weit gereist, um die schaurig schönen Passagen zu hören. "Wir haben sogar Vorbestellungen aus Hamburg gehabt", verrät Josef Zieren.

Schon der Prolog zum ersten Fall von David Hunter, Die Chemie des Todes, steigt gnadenlos direkt in das Thema der Forensik ein. Es geht um den Grad der Verwesung einer jungen Frau, die von zwei Brüdern in einem Waldstück im englischen Norfolk aufgefunden wird. "Ich habe die Arbeit der Forensiker in Amerika kennengelernt", erzählt Beckett, der vor seiner Tätigkeit als Schriftsteller Journalist gewesen ist. Für eine Reportage hat er eine Forschungseinrichtung der amerikanischen Polizei besucht: die sogenannte "Body Farm" (Leichenfarm), wo die Verwesungsstadien menschlicher Überreste untersucht werden. "Ich habe gemerkt, dass man darüber viel erzählen kann", lautet die einfache Formel für seine Motivation.

Nachdem er einige Ausschnitte aus den drei bislang erschienenen Hunter-Romanen vorgetragen hat, kramt Simon Beckett einige zerknitterte Papierbogen hervor. "Wenn Sie möchten", sagt er bescheiden, "kann ich Ihnen auch noch ein wenig aus dem nächsten Roman vorlesen, der im kommenden Jahr erscheinen wird." Ja, die Zuhörer möchten. Und sie erfahren, dass der nächste Thriller acht Jahre in der Vergangenheit spielen wird, als David Hunter noch kein Witwer war, als seine Frau und Tochter noch nicht durch einen tragischen Unfall ums Leben gekommen sind. Noch gespannter als zuvor lauschen die Anwesenden den Worten des Autors.

Und auch Beckett muss sich beim Lesen konzentrieren - noch fehlt ihm die Routine für das Vortragen seines jüngsten Werks. Als Beckett die zerknitterten Blätter schließlich auf den Tisch legt, gibt es tosenden Applaus: Vorschusslorbeeren für den neuen Hunter-Roman. Beckett setzt seine Brille ab. Seine Lippen formen ein tonloses "thank you". Karten für die Veranstaltungen des Eifel-Literatur-Festivals gibt es in den TV-Service-Centern Trier, Bitburg und Wittlich, unter der TV-Tickethotline 0651/7199-996 sowie unter www.volksfreund.de/tickets

Extra

Simon Beckett, britischer Autor, stand mit seinen Thrillern Die Chemie des Todes und Kalte Asche lange Zeit auf den internationalen Bestsellerlisten. Der aktuelle Roman Leichenblässe führt momentan die Spiegel-Liste der meist verkauften Belletristik in Deutschland an. Vor seiner Arbeit als Romanautor hat Beckett als Hausmeister und Taxifahrer sein Geld verdient. Zugang zur Welt der Forensik erhielt er nach eigenen Angaben durch eine Recherche auf der "Body Farm" in Tennessee, USA: einer Forschungseinrichtung der Polizei, wo die unterschiedlichen Verwesungsstadien menschlicher Überreste untersucht werden. (slg)

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