"Wir müssen die institutionelle Fantasie des Stadttheaters nutzen"

Wie geht es weiter mit dem Theater in Zeiten klammer öffentlicher Kassen? Die Diskussion läuft. Der TV hat zehn Gastautoren gebeten, ihre Ideen und Vorschläge zur Zukunft des Hauses zu notieren. Heute: Franziska Schößler.

 Franziska Schößler. Foto: Archiv

Franziska Schößler. Foto: Archiv

Das Trierer Stadttheater soll sparen, soll preiswerteren Theaterformen (wie einem Gastspielbetrieb) weichen. Damit greift die deutsche Sparpolitik, die die Kosten der (vielfach verfahrenen) Großprojekte radikal auf die kulturelle Szene umverteilt, auf das Stadttheater über - Trier soll offenbar Vorreiter einer größeren Demontage sein, das hiesige Stadttheater Labormaus.
Argumentiert wird mit einem ökonomischen Imperativ, dem gegenwärtig scheinbar nichts entgegenzusetzen ist. Die Institution habe sich überlebt, sei zu teuer, nicht konkurrenzfähig und dem neuen, fortschrittlichen Zeitgeist nach abzuschaffen.
Dieser Zeitgeist kennt allein das wirtschaftliche Argument und übersieht dabei geflissentlich, dass Subventionen weiterhin in hohem Maße in bestimmte Bereiche der Wirtschaft fließen; nur die Kultur soll davon nichts mehr haben.
Doch fraglich ist, ob sich eine moderne Gesellschaft nicht auch andere Werte beziehungsweise andere Maximen ihres Handelns "leisten" muss als das Ökonomische, zumal sich das Konzept des ‚Neoliberalismus‘ und des sogenannten freien Wettbewerbs spätestens mit der Krise 2008 überlebt hat - für Triers Kultur wird mit den wirtschaftsliberalistisch argumentierenden Leitlinien ein deutlich überholtes Kriterium angelegt.
Übersehen wird darüber hinaus, dass Institutionen anpassungsfähig sind, über ein eigenes institutionelles Wissen sowie wandelbare Strukturen verfügen, und dass gesellschaftliche Veränderungen immer dann nachhaltig waren, wenn dieses Wissen nicht schlicht ad acta gelegt wurde.
Deshalb wäre die jetzige Aufgabe, die institutionelle Fantasie des Stadttheaters zu nutzen - und wer kennt diese besser als die dort Beschäftigten? Diese müssten (zusammen mit dem Publikum) überlegen, welche Ideen Trier braucht, um die Stadt zu einem (weiterhin) lebenswerten Ort zu machen, nicht zu einem musealen Touristenzentrum, welche Ideen es braucht, um Spielräume für die diversen Gruppen der Stadt zu bieten und das Soziale zu pflegen. Entwickelt werden müssten - und das braucht Zeit, ist aber auch eine Chance - Alternativen zur Maxime der Rentabilität (die zur Bewertung von Kultur nicht taugt), und zwar von den Betroffenen, die die nötigen Kompetenzen besitzen und den städtischen Kontext kennen. Das Nicht-Wissen um interne Abläufe ist bei diesen Umbaumaßnahmen schädlich. Ebenso schädlich ist es, den fragilen Zusammenhang zwischen den kulturellen Institutionen (wie Stadttheater, Freie Szene, Universität und Museum) zu verkennen - die Demontage eines der Bausteine wird auch die anderen in Mitleidenschaft ziehen, auch den Universitätsstandort Trier.
Für die gesamte Debatte gilt es dabei zu bedenken, dass eine Gesellschaft, die allein auf ihre prekäre ökonomische Situation fixiert ist, für populistische Ideen der Ausgrenzung und Abwertung (von anderen) anfällig wird - das haben empirische Studien deutlich gezeigt.
Nächste Autorin: Suse Bauschmid, Friedrich-Spee-Chor.
Extra

Franziska Schößler, Jahrgang 1964, ist seit 2004 Professorin für Neuere Deutsche Literaturwissenschaft in Trier. Einer ihrer Schwerpunkte: die Gegenwartsdramatik. Die Theaterpraxis kennt sie aus ihrer früheren Tätigkeit als Dramaturgin. Mit dem Theater Trier arbeitet sie intensiv in vielen Projekten zusammen. Das Land Rheinland-Pfalz holte sie in die Berufungskomission für die Intendanz am Staatstheater Mainz. DiL

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