Wirbel um CIA-Programm

Der ehemalige US-Vizepräsident ließ den Kongress im Dunkeln: Seit 2001, nach den Terroranschlägen vom 11. September, soll Jagd auf El-Kaida-Führer gemacht worden sein - und zwar mit Tötungsabsicht.

Washington. Er wolle nach vorn blicken und nicht zurück. Das war bisher das Leitmotiv von US-Präsident Barack Obama, wenn es um die Aufarbeitung der Antiterror-Politik seines Amtsvorgängers ging. Deshalb ordnete Obama kürzlich auch an, dass neue Fotos, die Übergriffe von US-Militärs gegenüber Terrorverdächtigen und Gefangenen im Irak und in Afghanistan zeigen, unter Verschluss bleiben sollen. Doch mittlerweile wächst der Druck auf das Weiße Haus, die Vergangenheit doch intensiver unter die Lupe zu nehmen - und diese auch juristisch aufzuarbeiten.

"Hat Dick Cheney ein Verbrechen begangen?" fragte gestern ein CNN-Kommentator angesichts der frischen Enthüllung: Der frühere Vizepräsident hat offenbar den Geheimdienst CIA angewiesen, über ein nach den Anschlägen des 11. September 2001 von der Regierungsspitze angeordnetes Fahndungs- und Tötungsprogramm Stillschweigen zu bewahren - auch gegenüber dem US-Kongress. Dabei pochen dessen Mitglieder traditionell darauf, über solch brisante Angelegenheiten der nationalen Sicherheit informiert zu werden. Zeitungsberichten zufolge hatte die Bush-Regierung die CIA autorisiert, Agenten auf einzelne El Kaida-Führungsmitglieder anzusetzen und diese entweder zu verhaften oder zu liquidieren.

Ein ähnliches Programm gab es - mit dem Haupt-Zielobjekt Osama Bin Laden - bereits unter Bushs Vorgänger Bill Clinton. Doch dieser hatte aus seinen Absichten keinen Hehl gemacht. Der von Barack Obama berufene neue CIA-Chef Leon Panetta habe am 23. Juni Kongressmitglieder über das Geheimprogramm informiert - und gleichzeitig dieses suspendiert. US-Demokraten zeigen sich nun empört und fordern weitere Untersuchungen zur Rolle Cheneys. Die Vorsitzende des Geheimdienste-Ausschusses, die Senatorin Dianne Feinstein, warf dem Bush-Stellvertreter jetzt vor, "ungesetzlich" gehandelt zu haben.

Bei der jüngsten Diskussion geht es jedoch weniger um die auch von Demokraten unbestrittene Legalität und Angemessenheit dieser Antiterror-Maßnahme als um einen Machtkampf zwischen Kongressmitgliedern und der Regierung über den Umfang der Informationspflicht gegenüber den Volksvertretern.

Doch wie schon Bush hat auch Barack Obama in den ersten sechs Monaten seiner Amtszeit erkennen lassen, dass er wenig Lust verspürt, hier dem Kongress entgegenzukommen.

Bei einem anderen Thema setzt Barack Obama jedoch nun auf volle Aufklärung. Sein nationales Sicherheitsteam soll einen möglichen Skandal untersuchen, der ebenfalls schon Jahre zurückliegt: die mutmaßliche Tötung von bis zu 2000 gefangenen Taliban-Kämpfern durch die mit US-Truppen verbündete Nordallianz in Afghanistan im November 2001. Die Taliban hatten sich damals der Nordallianz ergeben und waren Augenzeugenberichten zufolge in verschlossene luftdichte Frachtcontainer gesteckt worden, in denen die meisten erstickten. Die Frage ist dabei auch, ob US-Militärs von den Vorgängen wussten und ob sie diese hätten verhindern müssen.

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