Wird Kultur-Euro Fall für Gerichte?

Trier · Keine Entspannung in der Debatte über eine Tourismus- und Kultur-Abgabe in Trier: Ein Forum der CDU-Stadtratsfraktion machte deutlich, dass die Hotellerie das Projekt in der vorgesehenen Form verhindern will - notfalls per Gericht. Überraschenderweise zeigt sich auch die Kulturszene zunehmend skeptisch gegenüber den Plänen der Stadt.

(DiL) Wie "heiß" das Thema ist, zeigte die Hundertschaft von Besuchern, die der Einladung der CDU in die Verkaufsräume des Modehauses Marx gefolgt war. Eine Reihe von Hoteliers, Vertretern nahezu aller KulturiInstitutionen, dazu Ratsmitglieder verschiedener Fraktionen und interessierte Bürger: An Diskussionsbedarf über die geplante Übernachtungskopfpauschale von einem Euro für Touristen in Trier fehlt es offenkundig nicht.

In einem Punkt waren sich Oberbürgermeister Klaus Jensen und CDU-"Oppositionsführer" Bertrand Adams bemerkenswert einig: Beide beteuerten mehrfach, in Sachen Abgabe sei "noch gar nichts entschieden". Zwar habe man die Einnahmen von rund 570 000 Euro vorsorglich in die Haushaltseckwerte für 2011 eingebracht, aber ob es dazu komme, hänge vom Verlauf des derzeit stattfindenden offenen Diskussionsprozesses ab.

Das mochte Helmut Scheuering vom Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) nicht so recht glauben. Er beschwerte sich, dass mit seinem Verband nicht im Vorfeld geredet worden sei: "Die Leute, die es umsetzen sollen, hat keiner gefragt." Es sei zu erwarten, dass es zu einer Klage kommen werde. Bundesweit ruft der Dehoga Hoteliers auf, gerichtlich gegen neue Abgaben vorzugehen. "Es wird sich auch in Trier jemand finden, der vor Gericht zieht", glaubt Scheuering, ohne von dieser Aussicht besonders begeistert zu sein.

Furcht vor Abwanderung von Gästen



Einzige Alternative wäre eine Konsensregelung unter Einbeziehung der örtlichen Hotellerie, wie sie in anderen Städten, beispielsweise Weimar, praktiziert wird. Aber die kann sich Scheuering nur vorstellen, wenn die Stadt garantiert, dass die Einnahmen auch tatsächlich allein Tourismus und Kultur zugute kommen. Genau diese Zweckbindung ist aber rechtlich unzulässig. Zwar gebe es entsprechende Signale aus "Vier-Augen-Gesprächen" (Adams) mit ADD-Präsident Josef Peter Mertes, aber eine rechtliche Verbindlichkeit lasse sich daraus nicht ableiten. Da es sich bei den Ausgaben für Kultur und Tourismus haushaltstechnisch um "freiwillige Ausgaben" der Stadt handele, könne die Aufsichtsbehörde den OB jederzeit anweisen, das Geld stattdessen zum Haushaltsausgleich zu verwenden.

Einer von vielen Gründen, warum auch die IHK weiter gegen die Abgabe ist, wie ihr Sprecher Albrecht Ehses erklärte. Das sei "alles Vertrauenssache", betonte OB Jensen und bot an, die Regelung zunächst auf fünf Jahre befristet einzuführen und dann "zu entscheiden, ob sie funktioniert hat".

Überraschend wurde deutlich, dass die Skepsis aus einem ganz anderen Lager kommt: Nachdem der OB in Aussicht stellte, von der Abgabe könne man auch Fahrradwege und Radgaragen finanzieren, und Tourismus-Geschäftsführer Hans-Albert Becker die Mittel für allgemeine Trier-Marketing-Maßnahmen reklamiert hatte, reagierten die zahlreich anwesenden Kulturschaffenden sichtlich sauer.

"Sie sollten das ehrlicherweise Tourismus-Abgabe nennen, mit Kultur hat das überhaupt nichts zu tun", ärgerte sich Kunstakademie-Chefin Gabriele Lohberg. Und nachdem Becker angeregt hatte, den abgabenzahlenden Touristen auch einen "Mehrwert" in Gestalt vergünstigter Eintrittspreise bei den Kulturinstitutionen zu verschaffen, fürchtete die Leiterin des Stadtmuseums, Elisabeth Dühr, sogar, "dass wir als Kulturinstitution nachher die Zeche durch Einnahmenverluste bezahlen müssen". Auch Hermann Lewen vom Mosel-Musikfestival hieb in die kritische Kerbe, forderte mehr Unterstützung ein. Die weitgehend sachliche Debatte geriet etwas aus den Fugen, als Vertreter der Hotellerie die Gefahr einer massenhaften Abwanderung von Hotelgästen aus Trier beschworen - was angesichts der Abgabenhöhe von einem Euro und der vorgeschlagenen Limitierung auf eine Woche niemand im Saal so richtig nachvollziehen konnte.

Meinung : Vertrauen ist kein Blankoscheck
Es ist schon erstaunlich, welchen Wandel die zunächst als "Kulturtaxe" definierte Extra-Touristensteuer durchgemacht hat. Was CDU-Chef Adams einst glasklar als Fonds zur Verbesserung des Trierer Kulturangebotes deklariert hat, ist inzwischen zu einem universalen Haushaltsloch-Stopfer mutiert, für - so definiert es der Stadtvorstand offenbar - alles, was im weitesten Sinne mit Tourismus zu tun hat. In Trier hat bekanntlich alles irgendwie mit Tourismus zu tun, so dass sich die Einnahmen aus der Abgabe letztlich auch für den Anstrich des Rathauses oder die Tribünensanierung bei der Eintracht verwenden ließen. So schafft man nicht das Vertrauen und den Konsens, der für die Einführung der Abgabe notwendig und sinnvoll wäre. Das Misstrauen der Kulturmacher ist verständlich, zumal, wenn die Vorschläge, wofür das Geld verwendet werden soll, von den Touristikern kommen sollen, über deren Kulturkompetenz man geteilter Meinung sein kann. Auch wenn eine Zweckbindung formalrechtlich nicht geht: Es wäre doch dem Stadtrat und der Verwaltung möglich, einen klar definierten, möglichst präzisen Nutzungsrahmen für die ohnehin nicht allzu üppigen Einnahmen festzulegen - etwa für das professionelle Marketing kultureller Events, die über das Tagesangebot hinausgehen. Das würde zumindest politisch eine gewisse Verbindlichkeit schaffen. Und es würde auch den Hoteliers erleichtern, ihren Gästen zu erklären, wozu sie ihren Obolus zahlen müssen. Vertrauen, so sagt der OB zu Recht, ist gut - aber kein Blankoscheck. d.lintz@volksfreund.de

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