Wird Marx in Trier nur hochgejubelt? - Am Ausstellungskonzept für das Marx-Jahr regt sich heftige Kritik

Trier · Kaum ist das Programm zur Karl-Marx-Ausstellung 2018 detaillierter vorgestellt worden, da gibt es schon Kritik. Sie kommt vom CDU-Bundestagsabgeordneten Bernhard Kaster und der AfD. Ihnen fehlt ein entscheidender Punkt im Konzept.

Das Landesmuseum richtet den Blick auf das Werk von Karl Marx, das Städtische Museum Simeonstift befasst sich mit dem Leben des weltbekannten Trierers. Diese Schwerpunkte zum Karl-Marx-Jahr 2018 sind in dieser Woche vorgestellt worden - und stoßen nun auf Widerstand.

Die Kritik: Der Trierer Bundestagsabgeordnete Bernhard Kaster hat sich das Kurzkonzept zur Ausstellung angesehen und vermisst all das, was aus Karl Marx' Lehren geworden ist. "Man kann und darf die Person und ihr Werk nicht von den Folgen trennen, die diese ausgelöst hat", schreibt Kaster zur TV-Berichterstattung vom 22. September. "Das unzählige Leid der Menschen darf daher nicht auf eine Fußnote reduziert werden." Im Namen des Marxismus seien schlimmste Verbrechen geschehen, unzählige Menschen seien unter Berufung auf seine Lehren verfolgt, misshandelt und ermordet worden. Zudem müsse man mit Blick auf totalitäre Tendenzen in China auch fragen, welche repressiven Wirkungen der Marxismus noch heute entfalte. "Natürlich begrüße ich es, dass Trier Marx zum 200. Geburtstag angemessen würdigen möchte. Es darf aber nicht sein, dass eine Ausstellung als Jubelveranstaltung für Marx konzipiert wird", schreibt der Bundestagsabgeordnete.
Kaster ist mit seiner Kritik nicht allein. Auch die AfD meldet sich zu Wort. Joachim Paul, stellvertretender Vorsitzender der AfD im Landtag, kritisiert ebenfalls, dass die Wirkungsgeschichte des Marximus nicht thematisiert werde. "Der antitotalitäre Konsens, der ein unverhandelbarer Grundkonsens aller Demokraten sein muss, gebietet eine kritische Betrachtungsweise von Karl Marx."

Das sagt der Ausstellungsmacher: Tatsächlich hatte Dr. Rainer Auts, Geschäftsführer der Karl Marx 2018 Ausstellungsgesellschaft, bei der Präsentation die Wirkungsgeschichte von Karl Marx ausgeklammert. Für dieses Thema sei auf den rund 1500 Quadratmetern Ausstellungsfläche in den beiden Trierer Museen kein Platz mehr. Die Kritik von Kaster weist Auts aber zurück. Es gehe darum, auf seriöse und kritische, aber auch für ein großes Publikum attraktive Weise das Leben und Werk von Karl Marx in seine Epoche einzuordnen. Auts: "Die Ausstellung wird Kritisches keineswegs aussparen, sie will Marx weder bejubeln, noch verdammen, sondern den Besuchern ermöglichen, sich ein realistisches Bild über Leben und Werk von Marx und über seine Zeit zu machen." Auts verweist darauf, dass ja auch das Karl-Marx-Haus einbezogen sei.

Das sagt das Karl-Marx-Haus: In der Dauerausstellung im Geburtshaus des Philosophen und Wissenschaftlers ist die Wirkungsgeschichte von Marx schon heute in drei Räumen zu sehen. Dieser Bereich soll bis 2018 noch ausgeweitet werden, stellt Dr. Elisabeth Neu, Leiterin des Hauses, in Aussicht. Derzeit wird die Dauerausstellung neu konzipiert, pünktlich zum Beginn der Sonderausstellungen am 5. Mai 2018 soll sie eröffnet werden. Das Karl-Marx-Haus wird von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) getragen. Dr. Anja Kruke, Projektleiterin der FES für das Marx-Jahr, sagt, bisher werde die Rezeptionsgeschichte nur bis 1989/90 dargestellt. In der neuen Ausstellung solle dies bis in die Gegenwart fortgesetzt werden. Dabei bemühe sich die Stiftung um eine "historisch-kritische Aufklärung". Elisabeth Neu folgert daher: "Wenn man Trier als Gesamtbild betrachtet, dann ist die Wirkungsgeschichte 2018 mit Sicherheit genügend abgebildet." Kruke spricht angesichts der Kritik von Kaster und der AfD von einem "Griff in die Mottenkiste des Antikommunismus."

Das sagt die Uni Trier: Teil des Marx-Jahres ist auch ein umfangreiches Rahmenprogramm. Daran beteiligt ist die Universität Trier. Christian Jansen ist Professor für Neuere und Neueste Geschichte und bereitet das wissenschaftliche Programm vor. Für ihn greife die Kritik von Kaster zu kurz, sagt Jansen dem TV. "Bei der historischen Würdigung einer Person muss sein Wirken im Mittelpunkt stehen, nicht das, was andere nach seinem Tod aus seinen Ideen gemacht haben. Man kann auch Jesus Christus nicht für all die Verbrechen verantwortlich machen, die in seinem Namen verübt wurden - von den Kreuzzügen über Hexen- und Ketzerverfolgungen bis zu den zahlreichen Kriegen, die im Zeichen des Kreuzes geführt wurden (und werden)." Dennoch gehöre das, was aus Marx gemacht wurde, zum Programm. Jansen und der Soziologe Martin Endreß organisieren eine internationale wissenschaftliche Konferenz, die vom 23. bis 25. Mai 2018 in der Uni stattfinden wird. "Marx im Westen. Kontexte - Konturen - Konstellationen" werde der Titel sein, sagt Jansen. Eine Sektion werde sich Marx und dem Marxismus-Leninismus widmen. Jansen zieht den Vergleich zur Nero-Ausstellung. Auch die sei ja kein rein touristisches Ereignis, sondern eine kritische Auseinandersetzung auf Basis des aktuellen Forschungsstandes. Jansen: "Bei Marx wird es nicht anders sein."
Meinung

Der Beißreflex

Von Michael Schmitz

Karl Marx ist eine Ikone, sein Bild ist Teil der Popkultur. Aus seiner Bekanntheit wird Trier 2018 eine Menge Kapital schlagen. Die Versuchung, solch eine Figur zu überhöhen, ist natürlich da. Die Gefahr, dass so etwas im Karl-Marx-Jahr aber tatsächlich geschieht, ist doch eher gering. Eine Vielzahl an Wissenschaftlern werden an der Konzeption beteiligt sein. Ihnen zu unterstellen, sie wollten ein einseitiges Bild zeichnen, ist absurd und zeugt von wenig Vertrauen in den Wissenschaftsbetrieb. Zudem blendet die Kritik von Kaster und der AfD völlig aus, dass das Marx-Jahr nicht nur auf Landesmuseum und Simeonstift begrenzt ist. Die beiden Politiker hätten besser geschwiegen. So wirkt ihr Angriff nur wie ein konservativer Beißreflex auf einen populären Linken.
m.schmitz@volksfreund.de
Hintergrund: CDU-Kritik an der Ausstellung

In Sachen Karl-Marx-Jahr ist es nicht das erste Mal, dass sich ein CDU-Politiker mit den Ausstellungsmachern anlegt. 2015 gab es eine größere Debatte über die Finanzierung der Karl-Marx-Ausstellung, nachdem der Trier-Saarburger Landrat Günther Schartz heftige Kritik geübt hatte. "5,6 Millionen Euro für die Rehabilitierung von Karl Marx sind eindeutig zu viel", sagte der CDU-Politiker im Januar 2015, zwei Tage, nachdem die Kooperationsvereinbarung zwischen Stadt und Land unterzeichnet worden war. Mittlerweile wird mit einem Budget von 5,1 Millionen Euro kalkuliert. Das finanziell notleidende Land sollte lieber in ehrenamtliche Kultur, die Polizei oder Infrastruktur investieren anstatt in eine opulente Ausstellung, forderte Schartz damals und griff zu drastischen Formulierungen: "Das Proletariat sitzt jetzt in den ehrenamtlichen Kulturorganisationen und den örtlichen Kultureinrichtungen. Rund um Marx wird, scheinbar auch mit Hilfe der Kirche, geradezu kapitalistisch gewirtschaftet." Schartz erhielt für seine Kritik heftigen Gegenwind von der Landesregierung, vom damaligen Trierer Oberbürgermeister Klaus Jensen ("Die Bürger werden bewusst in die Irre geführt") und von Ex-Ministerpräsident Kurt Beck ("Ich habe mich fremdgeschämt"). Schartz hielt an seinen Aussagen dennoch fest. Im TV gab es eine heftige Debatte in den Leserbriefspalten.

Bei der Finanzierung der Ausstellung geht das Land davon aus, dass über Sponsoren, Spenden und Eintrittserlöse gut vier Millionen Euro an Einnahmen erzielt werden. Die verbleibende Million Euro an Kosten teilen sich Stadt (250.000 Euro) und Land (750.000 Euro). Je nach Entwicklung der Besucherzahlen ist denkbar, dass höhere Einnahmen erzielt werden. Bei der Konstantin-Ausstellung im Jahr 2007 mit 350.000 Besuchern war am Ende sogar ein Plus von 200.000 Euro erzielt worden. mic

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