Abschied Ein Traumjob – wenn nur die Geldnot nicht wäre
Trier · Weltberühmte Handschriften aus dem Mittelalter bewahrt die Wissenschaftliche Bibliothek in Trier auf. Diese Schätze besser zu präsentieren und zu erforschen, ist seit mehr als 15 Jahren eines der Anliegen von Professor Michael Embach. Bevor der Direktor sich nun in den Ruhestand verabschiedet, blickt er zurück und nach vorn.
Zäsur in der Wissenschaftlichen Bibliothek Trier mit ihren mehr als 430.000 Bänden, darunter Tausenden historischen Handschriften und Drucken. Professor Michael Embach verabschiedet sich als Direktor der Einrichtung an der Weberbach, wo Schatzkammer, Bibliothek und Stadtarchiv unter einem Dach vereint sind. Der langjährige Chef hätte eigentlich schon vor einem Jahr in den Ruhestand gehen können, blieb dann aber auf Bitten von Oberbürgermeister Wolfram Leibe länger. Das hing mit den wertvollen Beständen der Schatzkammer und der einmaligen Gelegenheit zusammen, sie im Rahmen der Landesausstellung „Der Untergang des Römischen Reiches“ einem großen Publikum vorstellen zu können. Die dort gezeigte antike Gemme, ein geschliffener Stein der Familie Kaiser Konstantins des Großen, ziert den Deckel des Ada-Evangeliars, der kostbaren Handschrift aus der Hofschule Kaiser Karls des Großen, die um das Jahr 800 n.Chr. entstanden ist. Für sie läuft derzeit bei der Unesco der Antrag auf Ernennung zum Weltdokumentenerbe. „Ein sehr schöner Abschluss“ sei diese Sonderausstellung für ihn gewesen, sagt Embach, auch „weil wir sie bis auf zwei Exponate aus eigenen Beständen bestreiten konnten“.
Was waren seine drei größten Erfolge, haben wir ihn gefragt. Was ist nicht gelungen? Welches Feld bleibt für seinen Nachfolger zu beackern?
„Der größte Erfolg“ ist für Embach die Gründung der Schatzkammer, besser gesagt deren Neupräsentation im Jahr 2014. Es hat Jahre gedauert, um für die wertvollsten Handschriften und Urkunden vor allem aus dem Mittelalter einen baulich angemessenen, repräsentablen und didaktisch sinnvollen Rahmen zu schaffen. Dass das „sehr aufwändige Projekt“ gelang, sei vor allem einer EU-Förderung zur Entwicklung der regionalen Wirtschaft zu verdanken. Die Resonanz der Besucher seither sei „absolut positiv“. „Das hat sich wirklich gelohnt“, ist Embach überzeugt. In den Jahren vor Corona seien pro Jahr um die 5000 Gäste gezählt worden – eine Größenordnung, die man bald wieder erreichen werde. Das sei umso bemerkenswerter, als der Besucherbetrieb komplett von Ehrenamtlichen gestemmt werde, insgesamt knapp 50 engagierten Helfern.
Das zweite Highlight war ein Projekt, bei dem Wissenschaftler in einer Kooperation von Deutscher Forschungsgemeinschaft (DFG) und Universität Trier gemeinsam die mittelalterliche Bibliothek der Abtei St. Matthias in Trier digitalisierten und virtuell rekonstruierten. Ergebnis: Wer eine Zeitreise in diese historische Bibliothek mit rund 500 Handschriften unternehmen möchte, kann dies unter https://stmatthias.uni-trier.de/ „Damit ist es uns gelungen, einen wichtigen Bestandteil des kulturellen Erbes zu sichern“, ist Embach überzeugt. Dort sind auch Handschriften zu sehen, die heute außerhalb von Trier aufbewahrt werden.
Auch das dritte Highlight seiner Amtszeit ist für Embach ein Digitalisierungsprojekt – und nicht etwa die Gründung des Internationalen Handschriftenzentrums oder der Unesco-Antrag für das Ada-Evangeliar. Es geht vielmehr um die beiden alten Coronelli-Globen, die sich künftig virtuell benutzen lassen. „Es wird möglich sein“, erzählt Embach, „die Globen am Bildschirm zu bewegen. Das hat uns nochmal eine neue Dimension eröffnet, weil man praktisch aktiv mit diesen Objekten arbeiten kann. Man kann sich einzelne Ausschnitte auf den Bildschirm zoomen, man kann sie vergrößern, und das wird dazu führen, dass diese Objekte völlig neu erforscht werden können. Der Erdglobus hat Tausende von Ortsnamen , die aber so klein sind, dass man sie analog gar nicht lesen kann. In vergrößerter Form kann man das.“
Und Misserfolge? Gabs auch Enttäuschungen? „Es ist eine permanente Herausforderung, Finanzmittel zu beschaffen“, sagt der Germanist und Theologe. „Man muss sich da zum kleinen König Midas entwickeln, der weiß, wie man Türklinken in Gold verwandelt.“ Enttäuschend sei gewesen, dass die Digitalisierung der Mattheiser Bibliothek sich nicht fortsetzen ließ für die anderen historischen Bibliotheken wie etwa St. Maximin, weil die DFG die beantragten Mittel nicht genehmigte. „Das ist von der Sache her eigentlich gar nicht zu verstehen“, so Embach. Das Ziel sei von Anfang an die komplette Digitalisierung der Handschriften gewesen.
Das wars dann aber auch schon mit Kritik. „Ich muss sagen, die Arbeit in einer derartigen Institution halte ich für ein absolutes Privileg“, sie sei „unendlich anregend und erfüllend“. Die wichtigste Aufgabe in diesem Amt sei – neben der Akquise von Finanzmitteln –, sich in die kulturellen Netzwerke zu integrieren, die es in der Region und darüber hinaus gebe. Erst recht, wenn man – wie erhofft – bald auch länderübergreifend ein Stück Welterbe präsentieren kann.