Witzig, virtuos

Marnach/Luxemburg · Das Cube 521 im hohen Norden von Luxemburg ist Schauplatz eines denkwürdigen Konzertes von Ulrich Tukur und seinen Rhythmus Boys gewesen. Das Publikum bejubelte den deutschen Schauspielstar als Musiker.

Marnach/Luxemburg. Es ist ein langer Weg von Trier nach Marnach im Nordzipfel Luxemburgs. Aber er lohnt sich - wegen Ulrich Tukur und seiner Band, den Rhythmus Boys und dem schicken Ambiente des Cube 521, einem wunderbaren Kulturzentrum und Theater in tiefster Provinz, das dennoch mit einem Programm der Extraklasse aufwartet ( www.cube521.lu). Tukur - aktuell Wiesbadener Tatort-Kommissar - ist einer der profiliertesten und besten deutschen Schauspieler. Er hat eine ausgeprägte musikalische Ader, die er mit seiner Combo auslebt. "Musik für schwache Stunden" heißt das, außergewöhnliche Chansons, Canzone und Schlager der 1930er, 40er und 50er Jahre.
Tukurs Bühnenpräsenz bis in die letzte Reihe ist frappierend, schelmisch lachend grüßt er auf Luxemburgisch, und die launische Moderation zieht das Publikum in seinen Bann. Ein Riese (Günter Märtens, Kontrabass und Gesang) ein Kleinwüchsiger (Kalle Mews, Schlagzeug, Gesang) und ein Heinz-Erhard-Typ (Ulrich Mayer, Gitarre, Gesang), das sind seine Rhythmus Boys. Allesamt hochkarätige Musiker, die zudem noch mit komödiantischen Talenten gesegnet sind. Zum Auftakt trägt der Riese den Kleinen als lebende Dampframme auf die Bühne - albern, aber unbeschreiblich komisch, das Publikum biegt sich vor Lachen.
Und Tukur? Unvoreingenommen will man den Musiker vom grandiosen Schauspieler getrennt betrachten, doch das ist unmöglich, der Mann zelebriert auch diese Rolle einfach großartig. Selbstironisch, witzig und mit großer Leidenschaft euphorisiert er sein Publikum, virtuos am Flügel und eindringlich im Gesang. Irgendwie knarzt aus einem Lautsprecher leise, aber unüberhörbar ein Radioprogramm, ein technisches Problem, auch die Stimme macht an diesem Abend nicht 100-prozentig mit. Das Unbill nimmt er als Theaterprofi sportlich, "dann spielen wir halt etwas lauter".
Er singt italienisch, französisch, englisch (wahlweise mit amerikanischem oder englischen Akzent), alles souverän vorgetragen. Polyglott ist der kulturelle Weltbürger mit Wohnsitz unweit von Venedig. Ironisch nimmt er sein Deutsch-Sein auf die Schippe, singt gar eine Hommage an Jopie Heesters oder Zarah Leander. Auch Friedrich Hollaender steht auf dem Programm, er kokettiert damit, dass viele seiner musikalischen Vorbilder schon tot sind. Slapstick-Einlagen wie die "Drei Pölser, Dänemarks magische Kraftakrobatentruppe" gleiten nie in Peinlichkeit ab, der Malermeister in Jeans und die Dame im Paillettenkleid lachen sich unisono kaputt: "Oh wie schön!"
Kleine Gesten, Blicke, Tukur verzaubert sein Publikum, das nennt man wohl Charisma. Als Zugabe gibt es eine wunderbar zarte, poetisch-lautmalerische Version von "La Paloma".

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