"Wohl zu viel gekifft" - Autor von "Die rote Wand" wendet sich an TV

Trier · Herzloser, kiffender Emotionsschmarotzer - das Zerrbild, das manche derzeit von Lothar Kittstein zeichnen, erschreckt ihn. Kittstein sollte der Autor des Stückes "Die rote Wand" am Theater Trier sein.

Trier. Lothar Kittstein ist schockiert. Über die sozialen Medien, die Hass-Kommentare, die Respektlosigkeit und Feindlichkeit, die seiner Zunft entgegengeschlagen ist. Der 45-jährige gebürtige Trierer sollte der Autor des mittlerweile abgesagten Stückes "Die rote Wand" sein, das sich mit dem Medienrummel rund um den Fall Tanja Gräff befassen sollte. Es hätte um "kriminalistischen Voyeurismus" gehen sollen, schreibt Kittstein in einem Brief an den TV. Darum, dass sich eine ganze Stadt als Opfer sieht und gleichzeitig eine Verstorbene als einen Teil von sich wahrnimmt und Anspruch darauf erhebt, Verteter dieser Toten zu sein.
Dass es nun nicht zu dem Stück kommt, liegt für Kittstein zu einem guten Teil an diesem öffentlichen Aufbegehren. Was als Respekt gegenüber der Mutter und der Verstorbenen daherkam, seien eigentlich Beleidigungen und "kunstfeindliche Vorurteile" gewesen. "'Die Künstler haben wohl zuviel gekifft', ‚Das Theater will sich bereichern', ‚Kinder- und Herzlose", fasst Kittstein die Kommentare zusammen. "Was mich besorgt und schockiert, ist zum einen, dass diese kulturfeindlichen Reaktionen wie auf Knopfdruck aktiviert waren." Zum anderen sieht Kittstein den kulturschaffenden Beruf infrage gestellt.
Letztendlich war es die Reaktion der Mutter, die zur Absage des Stückes geführt hatte. Waltraud Gräff wurde zwar per Mail von dem Vorhaben informiert, ihre Erlaubnis gab sie allerdings nie. Stattdessen schwieg sie sich aus, was von Schauspielleiter Ulf Frötzschner als Zustimmung gedeutet wurde. Kittstein findet es respektabel, dass der Kontakt zur Mutter gesucht und die Information weitergegeben wurde. Ihre Erlaubnis hätte allerdings nicht über die Existenz des Stückes entscheiden dürfen. "Das Persönlichkeitsrecht ist klar geregelt, und mit diesem Stück wären wir weit innerhalb dieser Grenzen gewesen, weil wir eben keinen Tatsachenbehauptungen aufgestellt hätten."
In diesem Fall habe aber ein "diffuses Gefühl der Moral" über die Rechte der Kunst entschieden. Wenn man die Angehörigen um Erlaubnis frage, setze man sich als Kulturschaffender in eine unbedingte Abhängikeit, die das Arbeiten unmöglich macht. "Was ist, wenn ich zwei Angehörige habe und der eine ist dafür, der andere dagegen - wer hat dann recht und darf bestimmen?" Solle das Gefühl, was "sich schickt", wieder darüber bestimmen, was künstlerisch sein darf, fragt Kittstein in seinem Brief. Zu der Aussage auf der Pressekonferenz zur Spielzeitvorstellung, Frau Gräff sei involviert, wolle er nichts sagen, da er nicht dabei war. Dass das Theater unter dem gesellschaftlichen Druck nicht anders reagieren konnte, könne er verstehen. Die Zusammenarbeit mit dem Theater Trier sei nicht beendet, über ein neues Stück werde nachgedacht. sbra

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