Special Guest für Midnight Oil in Trier Wolf Maahn: „Musik ist heute zur Deko verkommen“

Trier · Wolf Maahn ist ein Mann mit Haltung. Nicht nur das verbindet den Kölner Rocksänger mit Midnight Oil. Mit den Australiern spielt er vor der Porta.

 Wolf Maahn spielt am 19. Juni vor der Porta Nigra.

Wolf Maahn spielt am 19. Juni vor der Porta Nigra.

Foto: Angelika Maahn

Wer gehört werden will, muss manchmal verdammt laut sein. Oder anders auffallen. Er muss Lebensbeichten ablegen, saftige Skandale liefern, im Dschungel campen, wobei Letzteres kaum noch juckt. Egal, wie groß die Erfolge einst waren. Rockmusiker haben es heute schwer, findet Wolf Maahn, der die Einstiegssätze halbwegs bestätigen kann – auch wenn dem Sänger und Gitarristen längst nicht jedes Mittel recht ist, seine Songs wieder ins Fernsehen zu bringen. Es müsse passen, findet er. „Früher hat das Musikmachen gereicht. Das ist nicht mehr so“, bilanziert er im Telefonat mit dem TV. Nun muss Wolf Maahn – aufgewachsen in München, in Köln zu Hause – nicht mit seinen Erfolgen hausieren gehen. Wer in den 80ern deutschsprachige Musik liebte, kennt ihn vermutlich ohnehin. Er hatte nicht die Vielzahl an Hits wie Grönemeyer, BAP oder Westernhagen – aber eines hatte er denen voraus: Wolf Maahn und seine Band, die Deserteure, waren die ersten deutschen Künstler, die bei der legendären ARD-Eurovisions-Sendung Rockpalast Nacht auftreten durften – im März 1985. Das Konzert wurde live in 17 europäische Länder übertragen. „Das war ein großer Glücksfall für uns. Es war unglaublich elektrisierend. Dort zu spielen war für uns, was für andere eine Hitsingle war“, sagt Maahn. „Es war eine Zeit, in der Musik sehr im Mittelpunkt stand und sie sehr schnell in Bewegungen aufgegangen ist. Musik ist heute eher zur Deko verkommen.“

Und das nicht erst in den vergangenen Jahren. „Die Politik ist in den 90ern aus der Popmusik verschwunden“, sagt Maahn. „Das habe ich selbst zu spüren bekommen, als ich 1996 ein großes Benefizkonzert für Bosnien organisiert hatte.“ Es sei extrem schwer gewesen, Bands zu finden. Ganz anders noch als in den frühen 80ern, als er beim Konzert gegen den Nato-Doppelbeschluss in Bonn auch mal mit Aktionskünstler Joseph Beuys gemeinsam gesungen hat – im Rahmen einer Demo, an der rund eine halbe Million gegen Aufrüstung in Europa auf die Straße gegangen war. Er demonstrierte gegen die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf, sang über Tschernobyl, war Teil der „Band für Afrika“. „Vielleicht hat man es in der 80ern mit dem Benefiz übertrieben, das wurde inflationär. Aber das Gegenteil passierte in den 90ern. Es fand damals kaum deutschsprachige Musik im Radio statt. Das braucht es aber, dass populäre Sender Lieder spielen, die einen politischen Dreh haben – es muss ja auch kein Agit-Prop sein.“

Wolf Maahn ist breit aufgestellt, war er immer schon. Er ist zu Hause im Rock, Pop, Soul. Er sang zwischendurch auch mal in Englisch, auch mal auf der Hauptbühne bei „Rock am Ring“, kehrte aber zu deutschen Texten zurück. Er spielt mit Band, oft solo  – und wenn er am 19. Juni als Support für Midnight Oil das Porta3-Open-Air eröffnet, hat er wieder etwas Neues am Start. „Ich spiele erstmals in einer Duo-Formation, sozusagen die Deluxe-Version von meinem Solo-Programm.“ Maahn wird mit Matthias Keul auftreten, mit dem er schon in der Food Band gespielt hatte: „Er spielt Piano und Lapsteel-Gitarre, Bass, er singt und bringt gute Vibes – das wird auch im Duo ziemlich voll klingen.“ Auf die Konzerte mit Midnight Oil freut er sich. „Ich mag sie, weil sie von jeher Haltung besitzen. Auch ihre Musik mag ich sehr. Meine allererste CD, die ich mir gekauft habe, war von Midnight Oil – das war auf einer Reise nach Frankreich.“

Auf seinem noch aktuellen Album „Sensible Daten“ rechnet Maahn unter anderem mit aus seiner Sicht bedenklichen Entwicklungen im Internet ab. „Will man immer nur das, was alle wollen – oder will man die Vielfalt? Wenn bei Google nur die beliebtesten Sachen ganz oben landen, führt das dazu, dass sich die Aufmerksamkeit nur noch auf einen Ausschnitt konzentriert. Die Vielfalt geht verloren“, sagt er. „Sie ist zwar da, theoretisch. Aber im Mainstream kommt sie nicht an.“

Und wie war das noch mit dem „neue Wege gehen, um wieder Songs im Fernsehen aufführen zu können“? Einen davon ist Wolf Maahn vor ein paar Jahren gegangen. Er war für zwölf Folgen in der RTL-Vorabend-Soap „Unter Uns“ zu sehen, dort spielt er sich selbst. „Das große Lockmittel des Senders war: Ich durfte vier Songs aus meinem neuen Album präsentieren, also neue Songs mit besten Einschaltquoten – eine ganze Folge stand unter dem Zeichen dieses Abschiedskonzerts. Und das hat funktioniert: Es hat mein Publikum ein Stück verjüngt. In einigen Städten war das ganz deutlich – und auf der Straße wurde ich plötzlich auch von Teenagern erkannt.“

Porta3, Midnight Oil mit Special Guest Wolf Maahn, Mittwoch, 19. Juni, 20 Uhr. Tickets: TV-Hotline 0651/7199-996 und bei Ticket-regional.

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