BAP-Frontmann Niedecken im Interview Bald live in Trier: Ganz viel BAP, ganz viel Bob Dylan

Trier · BAP-Chef Wolfgang Niedecken widmet sich im neuen Programm dem Lebenswerk von Bob Dylan, musikalisch und literarisch – am 8. August in Trier. Was das mit Corona zu tun hat und warum der Literatur-Nobelpreis für Dylan eine logische Konsequenz war.

 Wolfgang Niedecken liest und singt Bob Dylan - am 8. August auch beim Arena-Open-Air in Trier. Mit dabei ist Pianist Mike Herting (rechts).

Wolfgang Niedecken liest und singt Bob Dylan - am 8. August auch beim Arena-Open-Air in Trier. Mit dabei ist Pianist Mike Herting (rechts).

Foto: Tina Niedecken

„Literatur-Papst“ – das war praktisch der zweite Vorname von Marcel Reich-Ranicki. Viel zu irdisch für Denis Scheck, der aktuell in seinem „Anti-Kanon“ literaturgottgleich die „schlechtesten Bücher der Weltgeschichte“ genüsslich und ziemlich willkürlich auseinandernimmt. Von Hitlers „Mein Kampf“ über Fitzeks „Passagier 23“ bis – und das irritierte viele von Schecks Kollegen – Christa Wolfs „Kassandra“. Ein manchmal lustiges, aber vor allem komisches Format.

Zum Lachen fand Scheck jedenfalls die Vergabe des Literatur-Nobelpreises vor fünf Jahren an Bob Dylan. „Ein Witz!“, kommentierte der Kritiker. Mit dieser Meinung könnte er kaum weiter entfernt sein von Wolfgang Niedecken, BAP-Frontmann, Autor – und leidenschaftlicher Dylan-Fan. „Er hat den Preis verdient wie kein anderer“, sagt Niedecken im Interview mit dem TV: „Es gibt keinen wirkmächtigeren Poeten als Bob Dylan in diesen Zeiten. Er hat Maßstäbe gesetzt.“

Dylan wurde im Mai 80 Jahre alt, Niedecken einige Wochen zuvor 70  – die große BAP-Geburtstagsfeier in Köln musste er auf nächstes Jahr verschieben. Schon in der Kindheit waren Dylans Songs und die Texte ein ständiger Begleiter. Das hat Niedecken in seinem Buch über Bob Dylan im Rahmen der KiWi-Musikbibliothek „im lockeren Plauderton“ dokumentiert. „Ich hatte ja einen wunderbaren roten Faden für das Buch“, erzählt Niedecken. „2017 habe ich für ‚arte’ einen Reise kreuz und quer durch Amerika zu den Spuren von Bob Dylan gemacht.“ Von Washington bis Woodstock, von der Westküste bis Duluth, Minnesota, wo Dylan als Robert Allen Zimmerman am 24. Mai 1941 geboren wurde. Der Rahmen erlaubte Niedecken Rückblenden auf die eigene Geschichte: „Ich wollte nicht die 1000. Dylan-Biographie schreiben, das braucht ja kein Mensch!“

Dass Niedecken aktuell seine Liebe zu Dylans Werk auf die Bühne bringt, mag auch an der Pandemie liegen. Die große „Schließlich unendlich“-Tour mit BAP vor jeweils Tausenden Zuschauern, die gibt’s erst nächstes Jahr, wenn die Planungssicherheit für Großveranstaltungen (hoffentlich) zurück ist – am 23. Juli 2022 wird die Band im Trierer Amphitheater auftreten. Aber schon am 8. August 2021 ist Wolfgang Niedecken mit einem „literarisch-musikalisch Sommerspecial rund um Dylan, Niedecken und BAP“ auf der Open-Air-Bühne vor der Arena Trier zu erleben. Im kleineren Rahmen, bestuhlt und mit maximal 500 Zuschauern. Niedecken freut sich auf einen „Riesen-Spaß“ auf der Bühne, die er sich mit Pianist Mike Herting teilt. „Ich lese jeweils eine Passage, die auf den nächsten Song zuführt“, kündigt er an. „Das Repertoire ist ja riesig. Es findet sich auch jede Menge Dylan auf BAP-Platten.“ Niedecken hat mit „Leopardefell“ im Jahr 1995 auch ein ganzes Album mit eingekölschten Dylan-Songs veröffentlicht. Ein Beispiel: So wird aus „My Back Pages“ auf Kölsch „Vill passiert sickher“, die Übersetzung schrieb Niedecken noch nachts im Hotelzimmer in New York nach Dylans 30. Bühnen-Jubiläum 1992 im Madison Square Garden. „Das ist eine fantastische Nummer – bei dem Song teilten sich auf der Bühne Eric Clapton, Neil Young, Ron Wood, George Harrison und Bob Dylan die Strophen auf. Das war sehr bewegend“, erinnert sich Niedecken, der auch schon beim ersten Dylan-Konzert in Deutschland 1978 in Dortmund vor Ort war und der in den 80ern auch Zeuge einiger „katastrophaler Konzerte“ war: „Da hatte er emotional durchgehangen und wohl zu viel getrunken.“ Aber der Amerikaner fand seine Form schnell wieder. Auch Dylans aktuelles Album „Rough and Rowdy Ways“ ist laut Niedecken ein „reifes Alterswerk“.

„Bob Dylan hat in den 60ern in der Blütephase Maßstäbe gesetzt – danach war nichts mehr wie vorher. Das hat den Lauf der Rockgeschichte entscheidend verändert“, sagt Niedecken, der den scheuen Dylan in der Vergangenheit mehrfach getroffen hat - zum ersten Mal über den gemeinsamen Freund Wim Wenders vor über 20 Jahren in Köln. „Wim Wenders kennt ihn ewig, weil dessen damalige Frau Ronée Blakeley bei Dylan in der Band gespielt hat, so war das ein wunderbares privates Treffen, kein Pressetermin, nichts Erzwungenes. Dylan war geerdet, nicht die Bohne abgehoben. Manche haben das anders erlebt. Er ist jedenfalls überhaupt nicht arrogant, eher schüchtern“, so beschreibt es Wolfgang Niedecken: „Ich glaube, es ist auch nicht einfach, Bob Dylan zu sein.“

 Bob Dylan, Sänger und Literaturnobelpreisträger.

Bob Dylan, Sänger und Literaturnobelpreisträger.

Foto: dpa/Fang Zhe

8. August: Niedecken liest und singt Bob Dylan. Am Piano: Mike Herting. Beginn: 19.30 Uhr, Arena-Open-Air, Arena-Vorplatz.
Infos/Tickets: poppconcerts.de

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