Wuchtige Klänge, inniger Glauben

Schweich · An Wagemut hat es den Veranstaltern nicht gefehlt. Bruckners "Te Deum" aufzuführen, fordert alle Kräfte. Aber das Schweicher Vokalensemble St. Martin hielt sich in Bruckners Klangwogen erstaunlich sicher. Und mit dem Schöneck-Instrumentalensemble hatte es einen einfühlsamen Partner.

 Spannung vor dem ersten Einsatz: Das Vokalensemble St. Martin Schweich und das Schöneck-Instrumentalensemble. TV-Foto: Martin Möller

Spannung vor dem ersten Einsatz: Das Vokalensemble St. Martin Schweich und das Schöneck-Instrumentalensemble. TV-Foto: Martin Möller

Foto: Martin Möller (mö) ("TV-Upload M?ller"

Schweich. Der Andrang zu den Parkplätzen war so, als stünde ein verkaufsoffener Sonntag an. Und mit gut 500 Besuchern war die Schweicher Pfarrkirche St. Martin bis fast auf den letzten Platz besetzt. Kein Wunder: Mit der "Orgelsinfonie" von Camille Saint-Saëns, Bruckners gewaltigem "Te Deum" und dazu noch mit zwei a-cappella-Motetten hatte das Schweicher Neujahrskonzert eine fast großstädtische Dimension. Ein Risiko - für das Schweicher Vokalensemble St. Martin, das Schöneck-Instrumentalensemble, die vier Vokalsolisten und auch für Wolfgang Seifen an der rückwärtigen Orgel und damit in großem Abstand zu den übrigen Akteuren.
Da ist es wenig erstaunlich, dass das Konzert keineswegs problemlos ablief. Im Schöneck-Ensemble waren die Bläser nicht immer auf einer gemeinsamen Intonationslinie und in Piano-Partien häufig zu laut. Das Solistenquartett (Eva-Maria Leonardy, Cordula Hörsch, Robert Reichinek, Helmut Marmann) hatte sichtlich mit Bruckners komplexer Harmonik zu kämpfen. Und wenn der Komponist die großen Klangflächen seines "Te Deum" mit einer höchst komplexen Fuge abschließt, dann geraten auch Chor und Orchester in Schwierigkeiten, und ganze Stimmgruppen tauchen gelegentlich (akustisch) einfach weg.
Aber es gilt auch: Nicht die Fehler entscheiden über Erfolg oder Misserfolg, es entscheidet die musikalische Botschaft. Und die kam herüber. Obwohl alle Akteure zu kämpfen hatten - sie überhoben sich an den gewaltigen Werken nicht.
Dirigent Christopher Wasmuth (bei Saint-Saëns) und das Schöneck-Ensemble besitzen ein Gespür für die innere Logik in der klassizistischen Tonsprache des Franzosen. Sie formulieren die Klanggestalten dieser Sinfonie klar und schlüssig aus. Auch in der halligen Kirchenakustik von St. Martin gerät der Gesamtklang erstaunlich deutlich und transparent.
Organist Wolfgang Seifen erwies sich zudem erneut als Könner der Registrierung. Wenn die Orgel einsetzt - ein Großteil dieser "Orgel-Sinfonie" kommt ja ohne Orgel aus -, dann mischt sie sich perfekt mit dem Orchester und überstrahlt es gegen Ende in herrlich triumphalem C-Dur.
Und dann das "Te Deum". Ginge es nur um Lautstärke, der nicht allzu groß besetzte Chor wäre chancenlos. Aber Leiter Johannes Klar hat sein Ensemble so geschult, dass es in Passagen nach einem großen Fortissimo weitgehend (nicht immer) Präsenz und Intonationssicherheit behält.
Für Klar und sein Ensemble ist Bruckner nicht nur der Vertreter gewaltig-lapidarer Fortissimi, sondern ein Meister der Innigkeit. Mitten zwischen diesen großen Klangblöcken beschwören der Chor und die Solisten, allen voran der helle, leichte Tenor von Robert Reichinek, das wunderbare, religiöse Mysterium in Bruckners Musik. Vielleicht war dieses Konzert gerade da so bewegend, wo die Interpreten nicht mit Klangfülle und Lautstärke glänzen konnten.
In den beiden Motetten a cappella, vor allem Bruckners berühmtem "Locus iste", entfaltete der Chor nach Wolfgang Seifens inspirierten Vorspielen eine unkompliziert offene, eine ganz natürliche Tongebung. Die hat nicht nur eine akustische Dimension, sondern auch eine religiöse. So gesungen, strahlt die Musik etwas aus, das Bruckner zweifellos noch näher steht als die gewaltigen Fortissimo-Entladungen. Es ist die einfache, die unmittelbare, die tief vertrauende Gläubigkeit des "Meisters von St. Florian". mö

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